Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
annahm.«
»Ich bin durchaus in der Lage, meine eigenen Schlüsse zu ziehen, Mr. Turner.«
Was immer der Mudir wissen oder erraten haben mochte, Hornblower war jedenfalls nicht gewillt, irgend etwas zuzugeben.
»Sagen Sie ihm, es sei uns ein Vergnügen gewesen, ihn bei uns zu sehen.«
Als der Mudir das hörte, huschte ein Schatten des Unmuts über sein Gesicht, aber dem Ton seiner Antwort merkte man nichts davon an.
»Er sagt, wir sollten alles abliefern, was wir bis jetzt geborgen haben, dann würde uns der Wali erlauben, hierzubleiben und alles zu behalten, was wir außerdem noch fänden.«
Der alte Turner sah zwar etwas besorgt drein, als er das übersetzte, aber sein Ausdruck verriet doch in erster Linie Neugier. Er selbst trug keine Verantwortung für das, was geschah, da konnte er sich den Luxus - oder sagen wir die Unterhaltung - leisten, sich von der Entscheidung seines Kommandanten überraschen zu lassen. Und Hornblower? Nun, dem fiel dazu sogar in dieser verzweifelten Lage Rochefoucaulds zynische Beobachtung ein, daß uns das Unglück unserer Freunde leicht zur Quelle des Vergnügens wird.
»Erklären Sie ihm«, sagte Hornblower, »mein Herr, König Georg, werde es sehr übelnehmen, wenn er höre, daß an mich, seinen Diener, eine solche Zumutung gerichtet worden sei, und sein Freund, der Sultan, wird es ebenso übelnehmen, wenn er hört, was sein Untergebener hier geäußert hat.«
Aber den Mudir konnte auch der Hinweis auf internationale Verwicklungen nicht schrecken. Wie endlos lange dauerte es, bis eine Beschwerde von Marmaris nach London und von dort zurück nach Konstantinopel gelangte! Es fiel Hornblower nicht schwer zu erraten, daß schon ein winziger Bruchteil einer Viertelmillion Pfund Sterling, richtig angewandt, genügen würde, dem Wali die Unterstützung des Wesirs zu sichern. Der Mudir blieb gegen alle Vorstellungen taub - er sah so erbarmungslos drein, daß sein Gesicht dem Alptraum eines ängstlichen Kindes glich.
Hornblower hatte jetzt nur noch den einen Wunsch, daß es ihm gelingen möchte, den Mudir doch noch aus seinem eisernen Gleichmut herauszureißen. »Erklären Sie ihm«, sagte Hornblower, »daß ich das Gold lieber wieder auf den Grund der Bucht versenke, als daß ich es ausliefere. So wahr ich hier sitze, das tue ich. Ich werfe das Zeug ganz einfach über Bord, dann sollen sie selbst danach fischen, aber dazu wird ihnen bald die Lust vergehen - weil sie es nicht können. Sagen Sie ihm, ich schwöre das beim Koran, beim Barte des Propheten, oder wie es sonst in ihren Schwüren heißt.«
Turner nickte begeistert zu Hornblowers Ausbruch, an diese Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Dann machte er sich eifrig an die Übersetzung. Der Mudir lauschte wieder mit unerschütterlicher Geduld.
»Es hat keinen Zweck, Sir«, sagte Turner, als der Mudir geantwortet hatte, »damit können Sie ihn nicht abschrecken. Er meint...« Ein weiterer Satz des Mudirs unterbrach Turners Rede.
»Er sagt, wenn das Schiff erst in ihrer Hand sei, dann würden die Götzendiener - damit meint er die ceylonesischen Taucher - genauso für ihn arbeiten, wie sie es jetzt für uns tun.«
Das machte Hornblower vollends rasend; in seiner Wut faßte er schon den verrückten Plan, den Tauchern einfach die Gurgel abzuschneiden, wenn der Schatz über Bord war. Ein solches Verfahren hätte nicht übel zu der morgenländischen Romantik gepaßt, die ihn hier umgab, aber als er den schrecklichen Gedanken gerade in Worte fassen wollte, setzte der Mudir von neuem zum Sprechen an und redete diesmal eine ganze Weile.
»Er stellt zur Debatte, ob es nicht besser wäre, mit einem Teil des Schatzes nach Hause zu kommen - er meint mit dem, was wir noch bergen können -, als alles zu verlieren. Er sagt, er sagt - Verzeihung, Sir, aber er drückt es so aus -, daß König Georg Ihren Namen nicht in Ehren halten wird, wenn dieses Schiff wegen eines offenkundigen Rechtsbruchs aufgebracht werden muß.«
Das war sehr elegant formuliert. Hornblower konnte sich nur zu gut denken, was Ihre Lordschaften in der Admiralität zu dieser üblen Geschichte sagen würden. Selbst im besten Falle, wenn er die Sache bis zum letzten Mann ausfocht, machte er sich in London keine Freunde. Sein Ungeschick hatte eine internationale Krise heraufbeschworen, seinetwegen mußten womöglich ein Geschwader und eine Armee in die Levante entsandt werden, um hier das britische Ansehen wiederherzustellen, und das grade in einem Augenblick, da der Kampf
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