Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
den schwefligen Rauch von Kohlenfeuern.
»Sinnig, Harry«, sagte der Bugmann wieder einmal und warf einen Blick über seine Schulter. Boote, Schuten und Leichter bedeckten die ganze Breite des Stroms, vor ihnen lag London Bridge.
»Pull aus!« stieß der Bugmann hervor, da rissen die beiden wie wild an ihren Riemen und steuerten das Boot durch eine Lücke in dem Gedränge oberhalb der Brücke. Die Tide rauschte gurgelnd zwischen den dicht stehenden Pfeilern hindurch, offenbar hatte die Einschnürung durch die Pfeiler den Strom oberhalb der Brücke aufgestaut. Schon schossen sie blitzschnell durch einen der engen Jochbögen.
»Um Gottes willen!« stieß Maria erschrocken hervor.
Nun waren sie im größten Hafen der Welt. Zu beiden Seiten lagen zahllose Schiffe vor Anker oder waren beim Löschen ihrer Ladung, nur in der Mitte blieb eine schmale Fahrrinne frei. Man sah schwarze Kohlenschiffe aus den Häfen des Nordens, Fischkutter aus Ramsgate, Küstensegler und Getreideschiffe; auf dieses ganze Gewimmel aber blickten die grauen Mauern des Tower herab.
»Ja, Madam«, meinte der Schlagmann, »hier im Pool gibt's immer was zu sehen, trotz Krieg und allem.«
Die blühende Schiffahrt war der beste Beweis, daß Bonaparte da drüben auf dem Festland im Begriff war, den Krieg gegen England zu verlieren. England konnte niemals in die Knie gezwungen werden, solange seine Navy die See beherrschte und die Festlandsmächte mit würgendem Griff blockierte, während der englische Handel überall weit offene Meere fand. Unterhalb des Pools lag ein Kriegsschiff müßig vor Anker, seine Stengen waren gestrichen, die Mannschaften saßen auf Stellings außenbords und malten. Unter dem Bugspriet ragte eine rohgezimmerte Galionsfigur hervor, eine Weibsgestalt in faltigem Gewande, das ganz in Rot und Weiß gehalten war. In ihren klobigen Händen hielt sie eine mächtige vergoldete Schere, und die verriet Hornblower sofort, welches Schiff er da vor sich hatte, ehe er noch die elf Stückpforten zählen konnte, die die Bordwand durchbrachen, und ehe er noch den Namen Atropos zu Gesicht bekam, als sie dicht unter dem Heck passierten. Sein Schiff! Er starrte stumm hinüber und wäre vor unterdrückter Erregung fast erstickt. Wie lag es zu Wasser? Was verrieten ihm seine Linien? Er bemerkte den Maat der Ankerwache, ja, er nahm in diesen überwachen Augenblicken von jeder Kleinigkeit Notiz, die er im Vorüberfahren überhaupt mit dem Auge zu erfassen vermochte.
»Die Atropos , Sir, zweiundzwanzig Kanonen«, sagte der Schlagmann, als er Hornblowers gespanntes Interesse bemerkte.
»Ja, und mein Mann ist ihr Kommandant«, sagte Maria voll Stolz. »Wahrhaftig, Sir?« rief der Schlagmann und verriet dabei plötzlich eine Ehrerbietung, die Maria unendlich wohl tat.
Aber schon nahmen sie Kurs auf das Ufer, da war Deptford Creek und Deptford Hard.
»Nicht so hart«, sagte der Bugmann. »So, noch einen Schlag und Riemen ein.«
Das Boot knirschte auf dem Ufersand, und damit hatte die weite Reise von Gloucester ihr Ende gefunden. Nein, doch noch nicht ganz, sagte sich Hornblower, während er sich zum Anlandgehen rüstete, jetzt ging es erst los mit der langweiligen Suche nach einer Bleibe; es galt das Gepäck hinzuschaffen und Maria mit ein paar Handreichungen behilflich zu sein, erst dann durfte er endlich auf sein Schiff. Das Leben glich wirklich einer Schachtel bitterer Pillen, die eine um die andere geschluckt werden mußten. Unter Marias wachsamen Blicken zahlte er den Bootsmann, zum Glück erschien alsbald einer von den Bollwerkslöwen, die den Hafen bevölkerten, und bot ihm seine Dienste an. Sogleich brachte er von irgendwoher eine Karre zum Vorschein und belud sie mit dem Gepäck. Hornblower nahm Marias Arm und half ihr den schlüpfrigen Hard hinauf, sie selbst aber trug den kleinen Horatio.
»Ich bin, weiß Gott, froh, wenn ich die Schuhe von den Füßen bekomme«, stöhnte Maria, »höchste Zeit auch, daß der Kleine frisch gewickelt wird!... Schon gut, mein Schätzchen, schon gut!«
Glücklicherweise lag das›George‹in unmittelbarer Nähe. Eine dicke Wirtin empfing sie und nahm sofort mit verständnisvoller Miene von Marias Zustand Notiz. Sie führte die beiden auf ihr Zimmer und scheuchte gleichzeitig ein Dienstmädchen auf, das schleunigst heißes Wasser und Handtücher besorgen sollte.
»Ei, ei, mein Süßer, ei, ei!« tröstete die Wirtin den kleinen Horatio.
»Aah!« stieß Maria hervor, setzte sich auf ihr Bett und begann
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