Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
Zustand permanenter Rebellion. Feuer und Schwert, Metzeleien und Verwüstungen, Seeraub und offene Revolten suchten immer von neuem Inseln und Festland heim. Seit neuerdings von den Sieben Inseln her sich französischer Einfluß geltend machte und sogar Rußland eine verdächtige Vorliebe für die orthodoxen Untertanen des Sultans an den Tag legte, gab es neue Spannungen und Zwischenfälle.
»Eins steht jedenfalls fest«, sagte Hornblower: »Der Wali ist zur Zeit nicht im Lande.«
»Soviel ist sicher, Sir.«
Es dauerte einige Zeit, bis der Wali von ihm erfuhr, sogar der - Hornblower suchte in seinem Gedächtnis angestrengt nach dem seltsamen Titel -, richtig, der Kaimakam war nicht so rasch zu erreichen. Die politische Lage war so verfahren, daß eine Klärung von heute auf morgen ausgeschlossen war. Die Türkei hatte sich vor noch nicht allzu langer Zeit begeistert auf Englands Seite geschlagen, das war, als Bonaparte Ägypten eroberte, in Syrien einfiel und Konstantinopel bedrohte. Aber andererseits waren Rußland und die Türkei von jeher geschworene Feinde - sie hatten allein im letzten halben Jahrhundert ein halbes dutzendmal gegeneinander Krieg geführt -, und nun hatte sich England ausgerechnet mit den Russen verbündet, und die Russen waren damit Feinde der Franzosen geworden, obwohl seit Austerlitz für beide keine Möglichkeit mehr bestand, einander anzugreifen. Dafür konnte man sicher sein, daß der französische Gesandte in Konstantinopel sein möglichstes tat, die Türkei zu einem neuen Krieg gegen Rußland aufzustacheln, und auf der anderen Seite gab es ebenfalls keinen Zweifel, daß die Russen seit den Tagen der großen Katharina mit begehrlichen Augen nach Konstantinopel und den Dardanellen blickten. Die Unruhe unter den Griechen war eine feststehende Tatsache, der persönliche Ehrgeiz der türkischen Provinzgouverneure eine andere. Die wacklige türkische Regierung mußte aus Selbsterhaltungstrieb jede Gelegenheit wahrnehmen, einen ihrer potentiellen Gegner gegen den anderen auszuspielen - sie konnte nur mit tiefstem Argwohn davon Kenntnis nehmen, daß sich Engländer in ihrem Hoheitsgebiet zeigten, wobei übrigens auch das religiöse Moment eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen mochte.
Solange England auf Leben und Tod um den Sieg gegen Frankreich rang, war es den Türken nicht übelzunehmen, wenn sie auf den Gedanken kamen, eben dieses England könnte sich seines russischen Bundesgenossen dadurch versichern, daß es ihm ein heißbegehrtes Stück türkischen Bodens versprach. Ein Glück nur, daß Frankreich mit seinem weit schlimmeren Sündenregister Anlaß zu ganz ähnlichen Befürchtungen bot.
Wenn der Sultan erfuhr - ob es überhaupt dazu kam, stand dahin -, daß ein englisches Kriegsschiff in der Marmarisbucht lag, dann fragte er sich sofort, welche Intrigen dort mit dem Wali gesponnen wurden, und wenn der Sultan oder der Wali hörten, daß auf dem Grund der Marmarisbucht eine Viertelmillion Pfund in Gold- und Silbermünzen lag, dann war es mit der Bergung dieses Schatzes aus, es sei denn, daß der Löwenanteil davon in türkische Hände floß.
Hornblower mochte hin und her überlegen: er kam zu keinem anderen Schluß wie schon vor einer Woche: es kam alles darauf an, das Geld so rasch wie möglich zu bergen und das Kopfzerbrechen über das Fait accompli den Diplomaten zu überlassen.
Er ging nach vorn, um aus McCullums Mund zu hören, ob man nach den letzten Feststellungen überhaupt mit einer schnellen Bergung rechnen durfte.
McCullum hatte sich soeben alles angehört, was ihm die Taucher berichteten. Sie kauerten noch um sein Bett herum und hingen mit ihren großen schwarzen Augen unverwandt an seinem Gesicht, dabei waren sie so dick eingemummt, daß sie fast das Aussehen von Bienenkörben hatten.
»Das Schiff ist da«, sagte McCullum. Das hörte sich an, als sei er darauf gefaßt gewesen, daß bis jetzt nur Unsinn angerichtet worden war, sei es bei der ursprünglichen Peilung der Untergangsstelle, sei es bei der Suche nach dem Wrack.
»Ich freue mich, das zu hören«, antwortete Hornblower mit aller Höflichkeit, die er sich trotz dieser fortwährenden Ungezogenheiten dem unentbehrlichen Fachmann und dem Kranken gegenüber abringen konnte.
»Mit Ausnahme des gekupferten Bodens ist das Wrack sehr stark bewachsen, aber von einem Aufbrechen ist vorläufig noch keine Rede.«
Ein hölzernes, von Holznägeln zusammengehaltenes Schiff konnte hier, geschützt vor Sturm und
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