Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
Oberfläche erschien. Leadbitter mußte ihn erst darauf aufmerksam machen. Zwanzig Meter hinter dem Boot war Looneys Kopf wieder aufgetaucht, ein Bändchen hielt sein langes, dichtes, schwarzes Haar seitlich über dem Ohr zusammen.
»Streich überall!« befahl Hornblower sofort. »Draggenleine ausstecken!« Der zweite Befehl wurde von den Ceylonesen sofort verstanden, oder sie wußten ohnehin, was sie zu tun hatten, denn einer von ihnen gab sogleich entsprechend Lose von der Leine, als ein paar kräftige Riemenschläge das Boot rückwärts zu Looney heranbrachten. Looney griff mit den Händen nach dem Setzbord, und seine beiden Gefährten holten ihn ins Boot. Sie begannen sofort lebhaft auf ihn einzureden, aber Looney saß zuerst stumm auf der Ducht und hielt den Kopf so tief gesenkt, daß er fast die Schenkel berührte. Dann richtete er sich auf, das Wasser rann ihm noch in Strömen aus dem nassen Haar. Er sagte ein paar Worte, sie betrafen offenbar die Kälte - die scharfe Brise mußte ihm wie Messer in die nasse Haut schneiden -, denn die anderen frottierten ihn sogleich kräftig ab und halfen ihm in seine Kleider.
Hornblower fragte sich, wie er sie nun wohl dazu bringen konnte, weiterzumachen, aber seine Sorge erwies sich als überflüssig. Sobald Looney sein weißes Gewand wieder anhatte, stellte er sich in den Bug des Bootes und sah sich abschätzend um. Dann wies er mit einem Blick auf Hornblower nach einer Stelle, die nur wenige Meter vom jetzigen Ankerplatz des Bootes entfernt war.
»Hol ein!« sagte Hornblower.
Einer der Ceylonesen lichtete den Draggen und ließ ihn wieder fallen, als das Boot die bezeichnete Stelle erreicht hatte.
Nun war der nächste an der Reihe, sich nackt auszuziehen, mit pumpenden Atemzügen seine Lunge zu füllen und schließlich mit einer neuen Kanonenkugel in den Händen über Bord zu gleiten. Kanonenkugeln kosten eine Menge Geld, dachte Hornblower, außerdem hatte er sie womöglich eines Tages bitter nötig, wenn es galt, irgendeinem Gegner die Zähne zu zeigen.
Für die Zukunft war es wohl das beste, man sammelte für diese Taucherei am Strand eine Anzahl geeigneter Steine. Der zweite Taucher kam wieder hoch und kletterte an Bord, er wurde von seinen Kameraden genauso empfangen wie Looney. Nun begann zwischen den dreien eine lebhafte Auseinandersetzung, die damit endete, daß der dritte an der gleichen Stelle tauchte wie der zweite, wahrscheinlich um die strittige Frage zu klären. Was er nach seiner Rückkehr berichtete, veranlagte Looney, durch seine Zeichensprache von neuem um eine Verlegung des Bootes zu bitten. Als sie erfolgt war, legte er zum zweiten Male seine Sachen ab, um in die Tiefe zu gehen. Die Taucher arbeiteten wirklich fleißig und, soweit Hornblower das beurteilen konnte, auch klug und umsichtig. Späterhin tauchten Looney und einer seiner Gefährten sogar einmal zu gleicher Zeit. Als die beiden hinterher wieder ins Boot kletterten, bemerkte Hornblower, daß Looneys Beine und Füße ganz zerkratzt und blutig waren. Im ersten Augenblick dachte ei an Haie und andere Ungeheuer der Tiefe, aber dann fiel ihm sofort das Richtige ein. Dort unten in dem glasklaren Wasser gab es offenbar Holz, die alten Planken und Balken des Wracks, die natürlich über und über mit Langhalsen und anderem rasiermesserscharfen Muschelzeug bewachsen waren. Hornblower wurde in dieser Vermutung bestärkt, als Looney ihm bedeutete, daß er eben diese Stelle durch eine weitere Boje bezeichnet haben wollte. Sie verankerten gleich ein Brett mit einem Draggen und tauchten dann noch mehrmals in dessen unmittelbarer Nähe. Zuletzt waren die Taucher sichtlich erschöpft und saßen wie ein Häufchen Elend eng aneinandergeschmiegt und zusammengesunken auf ihrer Ducht.
»Ausgezeichnet, Looney«, sagte Hornblower und wies dann nach dem Schiff. »Soll es für heute genug sein?«
Looney antwortete mit einem müden Nicken.
»Anker lichten!« befahl Hornblower, und die Gig pullte wieder zur Atropos zurück.
Eine Meile entfernt waren die Luggersegel der Barkaß und des Kutters in Sicht, auch sie waren auf dem Rückweg und kamen bei der auffrischenden Brise mit halbem Wind rasch näher. Hornblower hatte den Eindruck, daß es ihm offenbar nie vergönnt sein sollte, eine Sache nach der anderen zu erledigen.
Kaum hatte er selbst den Fuß an Deck der Atropos gesetzt, da kamen auch schon die Boote längsseit gebraust, und während sich die Ceylonesen noch müde nach vorn schleppten, um McCullum
Weitere Kostenlose Bücher