Hornblower 05 - Der Kapitän
meldete nun auch der auf der Vorbramrahe sitzende Midshipman Hooker mit hoher Stimme.
»Zwei Masten. Steht luvwärts von uns, Sir, und hält unter vollen Segeln auf uns zu.«
»Auf uns?« wunderte sich Hornblower. Er kletterte auf die ihm zunächst stehende Kanonade und starrte unter der schirmenden Hand hervor in Sonnenglanz und Wind hinaus, aber von seinem niedrigen Standpunkt aus war noch nichts auszumachen.
»Mr. Bush«, befahl Hornblower, »lassen Sie die Kreuzmarssegel backbrassen.«
Vielleicht handelte es sich um einen spanischen Perlenlugger, der noch nichts von der Anwesenheit einer britischen Fregatte in diesen Gewässern ahnte. Andrerseits konnte er auch Nachrichten von el Supremo bringen; zwar stand das nach dem anliegenden Kurs nicht zu erwarten, doch gab es dafür möglicherweise eine Erklärung. Jetzt, als sich das eigene Schiff hob, bemerkte Hornblower sekundenlang oberhalb des fernen Horizontes einen glänzend hellen Fleck, der sofort wieder verschwand. Während die Minuten verstrichen, wiederholte sich das Spiel in immer kürzeren Abständen, und bald sah man von Deck aus ganz deutlich den Lugger, der mit in der Mitte festgemachten Untersegeln den Bug auf die Lydia gerichtet hielt.
»Die spanische Flagge weht im Großtopp, Sir«, sagte Bush, der sein Fernrohr nicht vom Auge nahm. Hornblower hatte das schon längere Zeit vermutet, doch glaubte er sich nicht ohne weiteres auf seine Augen verlassen zu können.
»Jedenfalls holt man sie nieder«, antwortete Hornblower, der sich darüber freute, die Beobachtung zuerst gemacht zu haben, »Stimmt, Sir«, bestätigte Bush etwas befremdet, und dann... »Da geht sie wieder hoch, Sir... Nein!... Was halten Sie denn davon, Sir?«
»Weiße Flagge über der spanischen«, sagte der Kommandant.
»Ein Parlamentär. Dem traue ich aber nicht. Lassen Sie die Flagge zeigen, Mr. Bush, und Klarschiff pfeifen. Die Geschütze werden ausgerannt und die Gefangenen unter Bewachung unter Deck geschickt.«
Er wollte es nicht darauf ankommen lassen, überrumpelt zu werden. Jener Lugger konnte voller Menschen stecken wie ein Ei voller Dotter und ein ganzes Heer von Bewaffneten über die Seite eines ahnungslosen Schiffes entern lassen. Als die Stückpforten der Lydia aufklappten und sie dem Lugger die Zähne zeigte, drehte er ab und blieb schlingernd beigedreht außerhalb der Kanonenschußweite liegen.
»Man schickt ein Boot herüber, Sir«, meldete Bush.
»Sehe ich«, kam es scharf von Hornblowers Lippen.
Das Boot des Spaniers tanzte auf dem Wasser, und dann enterte ein Mann das Seefallreep herauf. Hornblower erkannte sofort, daß der Besucher die volle Uniform eines Seeoffiziers der königlichspanischen Marine trug. Seine Epauletten funkelten in der Sonne. Er verneigte sich und trat dann näher.
»Kapitän Hornblower?«
»Der bin ich.«
»Ich darf Sie als neuen Verbündeten Spaniens begrüßen.«
Der Engländer schluckte. Es konnte sich zwar um eine Kriegslist handeln, aber im Augenblick, da er die Worte vernahm, fühlte er instinktiv, daß sie der Wahrheit entsprachen, und gleichzeitig verfinsterte sich die ganze heitere Welt, die ihn bisher umgeben hatte. Endlose Scherereien sah er voraus, die ihm durch die unbesonnene Handlungsweise der Diplomaten bereitet wurden.
»Wir haben die Nachricht bereits seit vier Tagen«, fuhr der spanische Offizier fort. »Letzten Monat raubte uns Bonaparte unseren König Ferdinand, um seinen Bruder Joseph zum König von Spanien zu machen. Die gesetzgebende Versammlung der Regierung hat ein ewiges Freundschaftsbündnis mit Seiner Majestät dem König von England geschlossen. Es gereicht mir zur großen Genugtuung, Herr Kapitän, Ihnen versichern zu können, daß Ihnen nach Ihrer anstrengenden Reise sämtliche Häfen der Besitzungen Seiner Katholischen Majestät offenstehen.«
Noch immer stand Hornblower ganz verblüfft da. Vielleicht waren dies lauter Lügen, eine Kriegslist, um die Lydia in den Bereich spanischer Küstenbatterien zu locken. Fast hoffte er, es möge so sein; besser wäre es gewesen, als sich mit den sonst unvermeidlichen Verwicklungen abzuärgern. Der Spanier deutete seinen Gesichtsausdruck als stillschweigenden Unglauben.
»Ich habe Briefe bei mir«, erklärte er, indem er einige Schreiben aus seinem Rock hervorzog. »Einer kommt von Ihrem bei den Leeward Inseln stehenden Admiral und wurde von Porto Bello aus über Land befördert; der andere ist von Seiner Exzellenz dem Vizekönig von Peru, und schließlich ist
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