Hornblower 05 - Der Kapitän
hier noch der Brief einer englischen Dame, die augenblicklich in Panama weilt.«
Mit abermaliger Verbeugung überreichte er die Briefschaften, und Hornblower, der sprachlos war, fing an, sie zu öffnen. Dann aber riß er sich zusammen. Hier droben auf Deck und in Anwesenheit des Spaniers konnte er die Schriftstücke nicht lesen. Mit einer gemurmelten Entschuldigung flüchtete er in die Abgeschlossenheit seiner Kajüte.
Den kräftigen Leinenumschlag dienstlicher Befehle erkannte er ohne weiteres als echt. Eingehend prüfte er die beiden Siegel, bei denen jedoch nichts darauf hindeutete, daß sich jemand unbefugterweise mit ihnen beschäftigt hatte. Auch zeigte der Umschlag eine korrekte englische Aufschrift. Er schnitt ihn auf und las die darin enthaltenen Befehle. Sie ließen ihn nicht länger im Zweifel. Dort war die Unterschrift - Thomas Troubridge, Konteradmiral, Bart. Hornblower kannte die Handschrift Troubridges bereits von früher. Die Befehle waren knapp gehalten, wie man es von dem alten Seemann erwarten durfte.
Da zwischen den Regierungen Seiner Majestät und derjenigen Spaniens ein Bündnisvertrag unterzeichnet worden war, sollte sich Kapitän Hornblower jeglicher feindseligen Handlung gegenüber den spanischen Besitzungen enthalten und, nachdem er sich mit den spanischen Behörden wegen Ergänzung seiner Vorräte ins Benehmen gesetzt habe, zwecks Einholung neuer Befehle schnellstmöglich nach England zurückkehren. Ganz ohne Zweifel war die Urkunde echt. Sie trug den Vermerk:›Abschrift No. 2‹; wahrscheinlich waren gleichlautende Schreiben in andere Gegenden der spanischen Besitzungen verschickt worden, um auf solche Weise die Gewähr dafür zu haben, daß wenigstens eins davon in die Hände des Adressaten gelangte.
Der zweite Brief war prunkvoll gesiegelt. In ihm hieß der Vizekönig von Peru den Kapitän willkommen und versicherte ihm, daß ihm ganz Spanisch-Amerika zur Verfügung stehe. Er hoffe, daß Hornblower ausgiebigen Gebrauch von diesen Möglichkeiten machen werde, um bald der spanischen Nation in ihrer heiligen Mission beistehen zu können, den französischen Thronräuber wieder in seine Hundehütte zurückzujagen.
»Ha... hm«, machte Hornblower. Noch wußte der Vizekönig weder etwas vom Schicksal der Natividad noch von el Supremos neuem Unternehmen. Vielleicht wären seine Gefühle weniger freundschaftlich gewesen, wenn ihm die Rolle begreiflich würde, die die Lydia bei jenen Vorfällen gespielt hatte.
Das dritte Schreiben war nur mit einer Oblate verschlossen, und die Adresse verriet eine weibliche Hand. Der spanische Parlamentär hatte etwas von einer englischen Dame in Panama gesagt. Was, zum Kuckuck, hatte eine englische Dame dort zu suchen? Hornblower öffnete den Umschlag und las: Zitadelle von Panama .
Lady Barbara Wellesley sendet dem Kapitän der britischen Fregatte ihre Grüße. Sie bittet ihn darum, er möge sie und ihre Zofe nach Europa mitnehmen, weil sich Lady Barbara infolge des Ausbruchs von gelbem Fieber im Bereich der spanischen Kolonien außerstande sieht, auf dem Reisewege zurückzukehren, den zu wählen sie gewünscht hatte.
Hornblower faltete den Brief zusammen und pochte damit nachdenklich auf seinen Daumennagel. Natürlich war es unmöglich, was diese Frau verlangte. An Bord einer des Kap Hoorn umsegelnden, mit Männern überfüllten Fregatte war kein Platz für Weiber. Ihrerseits schien ihr das aber gar nicht zum Bewußtsein zu kommen; vielmehr nahm sie offenbar an, daß ihrem Wunsch sofort entsprochen werden würde. Der Schlüssel zu solchem Verhalten lag selbstverständlich in dem Namen Wellesley, der in letzter Zeit sehr oft in der Öffentlichkeit genannt wurde. Vermutlich war die Dame eine Schwester oder eine Tante der beiden wohlbekannten Wellesleys, des Höchst Ehrenwerten Marquis Wellesley, ehemaligen Generalgouverneurs von Indien und jetzigen Regierungsmitgliedes, und des Generals Sir Arthur Wellesley, des Siegers von Asaye, den man jetzt nach Sir John Moore als Englands größten Soldaten bezeichnete. Hornblower hatte ihn einmal gesehen. Dabei war ihm die hochgewölbte, arrogante Nase ebenso aufgefallen wie die herrschsüchtig blickenden Augen. Wenn die Frau etwas von jenem Blut in ihren Adern hatte, dann wurde sie wohl zu denen gehören, die alles selbstverständlich finden. Ein unbemittelter, einflußloser Fregattenkapitän durfte doch froh sein, wenn er einem Mitglied jener Familie einen Dienst erweisen konnte. Maria würde geschmeichelt und
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