Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
einander in die Haare geraten und wurden dabei von ihren Freundinnen angefeuert. Ihr Aussehen stand in sonderbarem Gegensatz zueinander. Die eine war dunkelhaarig und so groß, daß sie sich des niedrigen Decks wegen bücken mußte, während die andere kleine, rundliche und blonde Frau hochaufgerichtet und kühn den drohenden Angriff erwartete.
»Allerdings habe ich das gesagt«, erklärte sie fest. »Und ich sag's noch mal. Vor dir bin ich nicht bange, wenn du dich auch Frau Dawson nennst.«
Auf diese Beleidigung hin stieß die Lange einen kreischenden Laut aus. Sie schnellte vorwärts, und ihre gierigen Hände krallten sich in das Haar der Feindin, deren Kopf sie so wütend schüttelte, als wolle sie ihn abreißen. Dafür trat ihr die mutige Kleine gegen die Schienbeine und zerkratzte ihr das Gesicht.
Bei der wilden Balgerei flogen die Unterröcke, bis eine der in den Hängematten Liegenden einen Warnungsruf hören ließ.
»Hört auf, ihr verrückten Schlampen! Der Kommandant kommt!«
Keuchend und zerzaust ließen die Streitenden voneinander ab, und aller Augen richteten sich auf Hornblower, der in leicht vornüber geneigter Haltung näher kam.
»Die nächste Frau, die hier Raufhändel anfängt, wird augenblicks von Bord gejagt.«
Die Dunkle strich sich das Haar aus der Stirn und schnupfte geringschätzig.
»Ist bei mir nicht nötig«, sagte sie. »Ich gehe von allein. Von den Hungerleidern hier ist ja doch nichts zu verdienen.«
Offenbar machte sie sich mit diesen Worten zum Sprachrohr der öffentlichen Meinung, denn ein leichtes Beifallsgemurmel folgte.
»Bekommen die Kerls denn niemals ihre Löhnung?« rief eine keifende Stimme.
»Ruhe!« brüllte Bush plötzlich. Er drängte sich vor, um den Kommandanten gegen die Beleidigungen zu schützen, denen er angesichts der Tatsache ausgesetzt war, daß es die Regierung bisher nicht für nötig gehalten hatte, die Löhnung auszuzahlen, obwohl die Sutherland schon seit Monatsfrist im Hafen lag. »Du da, was hast du dich nach acht Glasen noch in deiner Hängematte zu räkeln?«
Aber der Versuch, eine Gegenoffensive zu unternehmen, führte zur Katastrophe.
»Oh, ich stehe schon auf, wenn Sie wünschen, Herr Kapitänleutnant«, sagte das Weib, das die Decke zurückwarf und sich an Deck gleiten ließ. »Von meinem Schlafrock trennte ich mich, um meinem Tom eine Wurst zu kaufen, und für den Unterrock bekamen wir eine Biersuppe. Soll ich im Hemd an Deck kommen, Herr Kapitänleutnant?«
Ein Kichern durchlief die Reihe der Zuschauerinnen.
»Scher dich in deine Hängematte und benimm dich anständig!« tobte der entrüstete Bush. Hornblower lachte auch, vielleicht deshalb, weil ihn als Verheirateten der Anblick einer kaum bekleideten Frau weniger aufregte als seinen Ersten Offizier.
Gewandt schwang sich die Person wieder in die Hängematte und zog zufrieden die Decke über sich. »Anständig kann ich mich erst dann wieder benehmen, wenn mein Tom seine Löhnung bekommt.«
»Und was soll er damit anfangen, wenn er sie bekommt?« höhnte die Blonde. »Ohne Landurlaub! Soll er das Geld an irgend so'n Bumbootskerl verschleudern?«
»Fünf Pfund für'n Vierteljahr!« setzte eine andere giftig hinzu.
»Dabei ist ein Monat schon wieder vorbei.«
»Ruhe!« befahl Bush abermals.
Hornblower trat den Rückzug an. Fast hätte er den Zweck seines Rundganges vergessen. Wenn die Frage der Löhnung angeschnitten wurde, konnte er jenen Weibern nicht mehr in die Augen sehen. Die Mannschaften waren schändlich behandelt worden. Angesichts des Landes hatte man sie an Bord eingesperrt, und ihre Frauen - einige von ihnen trugen solchen Titel zu Recht, wenn auch nach den von der Admiralität herausgegebenen Bestimmungen eine mündliche Versicherung genügte, ihre Anwesenheit zu dulden - hatten allen Grund zur Klage. Niemand, nicht einmal Bush, wußte, daß die geringfügige Summe, die unter der Mannschaft verteilt worden war, einen großen Teil von Hornblowers eigenen Ersparnissen darstellte, ja daß sie alles war, was er unter Berücksichtigung der notwendigen Ausgaben für die demnächst aufbrechenden Rekrutierungskommandos zu entbehren vermochte.
Vielleicht überschätzte er infolge seiner lebhaften Einbildungsgabe und seiner Empfindsamkeit die Beschwerden der Leute. Er dachte an die Enge des Lebens unter Deck, wo dem einzelnen zum Aufhängen der Hängematte nur ein fünfzig Zentimeter breiter Raum zur Verfügung stand, indessen seine Frau den nächsten halben Meter einnahm. So
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