Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
natürlich den Tod der drei Insassen hatte herbeiführen müssen. Im Laufe der nächsten Tage werde man wahrscheinlich irgendwo ihre Leichen finden. Der Gendarm schien der Meinung zu sein, daß sich die Katastrophe bereits in den ersten Stromschnellen ereignet hatte, die jene Engländer passieren mussten.
»Ich denke, Herr Kapitän, Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß diese Nachrichten recht günstig lauten«, schloss der Graf.
»Günstig?« rief Hornblower. »Könnten sie überhaupt besser sein?«
Sobald die Franzosen sie für ertrunken hielten, hörte die Verfolgung auf. Hornblower wandte sich an die Gefährten, um ihnen die Lage zu erklären. Durch Kopfnicken und Lächeln gaben sie dem Grafen ihre lebhafte Freude zu erkennen.
»Vielleicht wird sich Bonaparte in Paris mit solchem dürftigen Bericht nicht zufrieden geben«, meinte Graf de Gracey. »Ich nehme sogar mit Bestimmtheit an, daß er befehlen wird, die Suche fortzusetzen, aber uns kann das nicht berühren.
Wir müssen uns lediglich darüber schlüssig werden, was die Herren weiterhin zu tun gedenken. Darf ich mir die Bemerkung erlauben, daß eine Fortsetzung der Reise meines Dafürhaltens nicht ratsam ist, solange Herr Kapitänleutnant Bush noch nicht wieder völlig hergestellt ist?«
»Was sagte er?« fragte Bush. Die Erwähnung seines Namens hatte aller Augen auf ihn gelenkt. Hornblower erklärte es ihm.
»Bitte, Sir, sagen Sie Seiner Lordschaft, daß ich mir im Handumdrehen ein Notbein machen kann, und nächste Woche um diese Zeit marschiere ich ebenso gut wie er.«
»Ausgezeichnet!« lächelte der Franzose, als ihm die Worte Bushs in geläuterter Form übersetzt worden waren. »Dennoch vermag ich nicht zu erkennen, daß die Anfertigung eines Holzbeins in unserem Fall von entscheidendem Nutzen sein kann. Sie, Herr Kapitän, und Ihr Diener können sich Vollbärte wachsen lassen oder Verkleidung tragen. Ich dachte bereits daran, daß Sie Ihre Reise als im kaiserlichen Dienst stehender deutscher Offizier fortsetzen könnten, womit sich gleich eine Erklärung für Ihre geringe Kenntnis der französischen Sprache ergäbe, aber einen fehlenden Fuß kann man nicht verkleiden.
Während der nächsten Monate wird das Erscheinen eines derartig verkrüppelten Fremden die neugierigen Polizeibeamten sofort an jenen verwundeten englischen Offizier erinnern, der angeblich auf der Flucht ertrunken war.«
»Allerdings«, nickte Hornblower. »Es sei denn, wir könnten jede Berührung mit Polizeiorganen vermeiden.«
»Das ist ausgeschlossen«, erklärte der Graf nachdrücklich.
»Innerhalb des französischen Kaiserreichs gibt es überall Polizei. Zum Fortkommen werden Sie der Pferde und höchstwahrscheinlich eines Wagens bedürfen. Auf Ihrer langen Reise aber würde unbedingt die Polizei auf Sie aufmerksam werden. Hierzulande kann keiner zehn Kilometer auf der Landstrasse zurücklegen, ohne daß man seinen Pass einer Prüfung unterzieht.«
Ratlos strich sich der Hausherr das Kinn. Deutlicher traten dadurch die tiefen Falten seiner Mundwinkel zutage.
»Ich wollte, unser Boot wäre nicht zertrümmert worden«, sagte Hornblower. »Auf dem Fluss...«
Der Gedanke kam ihm bereits in greifbarer Form zum Bewusstsein. Ihre Blicke trafen sich, und deutlicher merkte Hornblower, daß zwischen ihm und dem Grafen zuweilen eine auffallende Übereinstimmung herrschte. Der gleiche Gedanke bildete sich im Kopf de Graceys, und es geschah nicht zum erstenmal, daß Hornblower diese Erscheinung beobachtete.
»Natürlich!« rief de Gracey. »Der Fluss! Wie töricht von mir, daß mir das nicht gleich einfiel. Bis Orleans ist die Loire unschiffbar. Der winterlichen Hochwasser wegen sind die Ufer mit Ausnahme der zu den Ortschaften gehörenden Strecken so gut wie verödet, und jene Ortschaften könnten Sie nachts passieren, so wie Sie es in Revers taten.«
»Unschiffbar?« wunderte sich Hornblower.
»Jedenfalls findet kein Handelsverkehr statt. Hier und da findet man Fischerboote, und ein paar andere Fahrzeuge sind mit der Gewinnung von Flusssand beschäftigt. Das ist aber auch alles. Zwischen Orleans und Nantes hat sich die Regierung bemüht, die Loire für Schleppkähne benutzbar zu machen, doch sollen die Ergebnisse, wie ich höre, unzulänglich sein. Oberhalb von Briare aber beginnt der Seitenkanal, in den der ganze Verkehr mündet, und von dort an ist der Fluss verödet.«
»Könnten aber wir ihn benutzen?« fragte Hornblower.
»Oh, ja...«, meinte der Graf
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