Hornblower 09 - Lord Hornblower
Menschen, obgleich sie es öffentlich nicht zugaben, für ebenso verderbt gehalten, wie er es war. »Da hätten wir die Porta Coeli«, sagte St. Vincent und hob seine weißen Augenbrauen.
»Das ist eine Brigg mit 18 Geschützen, Schwesterschiff der Flame, Liegt seeklar in Spithead. Ihr Kommandant ist Freeman, der unter Ihnen in der Ostsee den Kutter Clam geführt hat. Er hat Sie doch nach Hause gebracht, nicht wahr?«
»Jawohl, Mylord.«
»Paßt Ihnen dieses Schiff?«
»Ich glaube, das ist das richtige, Mylord.«
»Pellew führt das Kanalgeschwader. Ich werde ihm befehlen, Ihnen jede Unterstützung zu gewähren, die Sie anfordern.«
»Besten Dank, Mylord.«
So war er. Da stürzte er sich in ein schwieriges, vielleicht sogar aussichtsloses Unternehmen und machte nicht den leisesten Versuch, sich wenigstens eine Rückzugsstraße Offenzuhalten. Es fiel ihm gar nicht ein, jetzt die Saat späterer Entschuldigungen und Ausflüchte in die Erde zu bringen, die nachher im Fall eines Mißerfolges so willkommen war und so nützlich aufging. Das war gewiß ein unverantwortlicher Leichtsinn, aber er konnte einfach nicht anders, sein lächerlicher Stolz hinderte ihn daran, etwas Derartiges zu tun. Er brachte es nicht fertig, Männer wie St. Vincent mit Wenns und Abers zu kommen, er konnte sich überhaupt vor einem anderen Mann nicht in dieser Weise bloßstellen. Ob das daher kam, daß ihm die Anerkennung des Ersten Lords vorhin zu Kopf gestiegen war oder daß er eben die beiläufige Bemerkung von ihm gehört hatte, er dürfe von einem Geschwaderchef wie Pellew Unterstützung »anfordern«, dem Mann, der vor zwanzig Jahren sein Kommandant gewesen war, als er noch als Fähnrich diente?
Nein, nichts von alledem war schuld, es lag nur an seinem unsinnigen Stolz.
»Der Wind ist stetig aus Nordwest«, sagte St. Vincent mit einem Blick auf den Zeiger an der Decke, der die Bewegungen der Windfahne auf dem Dach der Admiralität in sein Zimmer übertrug. »Aber das Glas fällt. Je eher Sie auslaufen, desto besser. Ich schicke Ihnen Ihre Order in die Wohnung nach, dann haben Sie noch Zeit, sich von Ihrer Frau zu verabschieden. Wo haben Sie denn Ihre Sachen?«
»In Smallbridge, Mylord, das liegt fast an der Straße nach Portsmouth.«
»Um so besser. Jetzt ist es Mittag. Wenn Sie um drei Uhr die Postkutsche nach Portsmouth nehmen - Kurierpost können Sie mit Ihrer Seekiste nicht benutzen -, dann sind Sie in acht, nein in sieben Stunden dort. Die Straßen sind zu dieser Jahreszeit ja noch nicht so übel. Jedenfalls könnten Sie um Mitternacht unterwegs sein. Freeman bekommt jetzt sofort seinen Befehl durch die Post. Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg, Hornblower.«
»Danke, Mylord.«
Hornblower raffte seinen Ordensmantel, griff nach dem Säbel und verabschiedete sich. Er hatte das Zimmer noch nicht verlassen, da kam auf St. Vincents heftiges Klingeln von nebenan ein Sekretär hereingestürzt, um die für ihn bestimmte Order als Diktat aufzunehmen. Draußen wehte der frische Nordwest, von dem St. Vincent gesprochen hatte. Hornblower fröstelte in seinem festlichen Gewand aus roter und weißer Seide, er fühlte sich recht verlassen und einsam. Aber da stand schon der Wagen, der ihn nach Barbaras Wort erwartete.
2. Kapitel
Mit ruhigem Blick und gefaßter Miene kam sie ihm entgegen, als er in der Bondstreet anlangte. Das war bei diesem Sproß einer Soldatenfamilie nicht anders zu erwarten. Aber sprechen?
Wenn sie die Haltung wahren wollte, konnte sie höchstens ein kurzes Wort wagen: »Eine Order?« fragte sie.
»Ja«, gab Hornblower zur Antwort, und dann machten sich seine starken, widerstreitenden Gefühle in der einfachen Wiederholung Luft: »Ja, mein Liebling!«
»Und wann?«
»Ich laufe noch heute nacht von Spithead aus. Meine Order wird in diesem Augenblick geschrieben - ich muß fort, sobald sie hier ankommt.«
»Etwas Ähnliches habe ich mir gedacht, St. Vincent sah ganz danach aus. Ich habe Brown schon nach Smallbridge geschickt, damit er deine Sachen zusammenpackt. Wenn wir hinkommen, ist schon alles klar.« Tüchtige, vorausschauende, einsichtige Barbara! Und doch konnte er darauf keine passendere Antwort finden als ein farbloses: »Danke, meine Liebe.« Immer noch, auch nach so langer gemeinsamer Zeit, erlebte er solche Augenblicke, in denen er keine Worte fand, um Gefühle auszudrücken, die ihn doch fast überwältigten - aber vielleicht war das eben die Folge ihrer übermächtigen Gewalt. »Darf ich dich fragen,
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