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Hornblower 10 - Hornblower in Westindien

Hornblower 10 - Hornblower in Westindien

Titel: Hornblower 10 - Hornblower in Westindien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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genügend Luv, um von Beata-Point freizukommen. Die Vorstellung, daß sie auf diesem Kreuzschlag etwas von ihrem Vorsprung einbüßten, konnte in der Tat verbittern. War es nicht durchaus möglich, daß die Daring , wo immer sie sich aufhielt, den Wind um einen oder zwei Strich raumer fand und daher ihren Kurs weiter anliegen konnte? Es war erstaunlich zu beobachten, wie sogar die Männer vor dem Mast mit genetztem Finger die Windrichtung prüften, den Luvhorizont absuchten und den Rudergänger mit ihren kritischen Bemerkungen bedachten, der nach bestem Können jeden Meter Luv zu ertrotzen suchte. Eineinhalb Tage lang wehte der Wind von vorn; mitten in der zweiten Nacht wurde Hornblower, der schlaflos in seiner Koje lag, plötzlich durch den Allemannruf aufgeschreckt. Im Nu war er hoch und langte nach seinem Schlafrock, während von Deck bereits lautes Fußgetrappel zu ihm herabdrang. Die Crab tanzte auf einmal wie wild in der See.
    »Alle Mann auf, klar zum Reffen!«
    »Drei Reff ins Großsegel!!« tönte Harcourts helle Stimme aus dem Dunkel, als Hornblower eben das Deck betrat. Der Wind riß ihm den Schlafrock und das Nachthemd hoch, als er abseits vom allgemeinen Getriebe an der Reling stand und in die brüllende Finsternis starrte. Mitten in der Nacht hatte sie eine jener wilden Mittsommerböen überfallen, aber irgendwer hatte offenbar die Augen gut offengehalten und ihr Kommen rechtzeitig bemerkt. Die Bö war von Süden heraufgezogen.
    »Abfallen!« schrie Harcourt, »Schoten klar zum Fieren!« Die Crab kam in einem wahren Hexenkessel wild durcheinanderlaufender Seen stampfend und rollend herum, dann wurden ihre Bewegungen ruhiger, und schon im nächsten Augenblick flog sie durch die brausende Finsternis, als ob sie ihren häßlichen Namen Lügen strafen wollte. So gewann sie kostbaren Seeraum nach Norden. Diese Bö war in der Tat ein unbezahlbares Glück, solange sie ihnen erlaubte, den nördlichen Kurs zu halten. Die Zeit verging, der nächtliche Sturm brauste mit unverminderter Gewalt und schlug Hornblower den Schlafrock immer wieder klatschend um die Beine. Er stand immer noch an seinem Platz an der Reling und fühlte, wie ihm das Herz vor Freude unwillkürlich höher schlug. Wie konnte es auch anders sein, wenn man die Elemente in seinen Dienst zwang, wenn man dem Wind ein Schnippchen schlug und seiner hinterlistigen Überraschung zuvorkam? »Ausgezeichnet, Mr. Harcourt!« schrie Hornblower gegen den Wind, als Harcourt herbeikam und im Dunkeln neben ihm stehen blieb.
    »Danke, Sir - Mylord. Zwei Stunden diesen Wind, und wir haben es geschafft.«
    Das Schicksal gewährte ihnen wenigstens deren eineinhalb, dann flaute die Bö ab, und der Passat setzte starrköpfig aus seiner alten Richtung Ost zu Süd wieder ein. Aber am Morgen brachte Giles beim Frühstück gute Kunde: »Der Wind krimpt nach Norden«, meldete er. Giles verfolgte den Verlauf des Unternehmens ebenso eifrig wie alle anderen.
    »Ausgezeichnet«, sagte Hornblower, aber schon Sekunden später packte ihn wieder jene dumpfe Qual, die ihn nur noch so selten verließ. Dieser Wind trug ihn nur um so rascher seinem Verhängnis entgegen.
    Im Lauf des Tages gab ihnen der Passat seine sommerliche Launenhaftigkeit gründlich zu kosten. Er wurde flauer und immer flauer, bis er zuletzt nur noch in kaum fühlbaren Puffs in die Segel fiel, so daß die Crab zeitweise ganz ohne Fahrt in der glasigen blauen Dünung trieb. Steuerlos drehte sie ihren Bug reihum in alle Richtungen der Kompaßrose, während die Sonne senkrecht auf ihr Deck hernieder brannte, so daß das Pech in den Nähten schmolz. Fliegende Fische hinterließen dunkle Spuren auf der emailleblanken Oberfläche der See. Niemand nahm davon Notiz, aller Augen spähten nach der Kimm, um die nächste Katzenpfote zu entdecken, die ihnen langsam, langsam näher kam. Vielleicht steuerte die Daring nicht einmal allzuweit entfernt unter dem Druck aller Segel mit rauschender Fahrt ihren Kurs durch dieses launische Karibenmeer. Der Tag ging zu Ende, die Nacht verstrich, aber der Passat wollte immer noch nicht wieder einsetzen, nur dann und wann bewirkte ein vorübergehender Hauch, daß die Crab lautlos wie ein Geisterschiff durchs Wasser glitt und dem Tobago-Kanal wieder ein kleines Stück näher kam. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel, die Männer dürsteten bei ihren kümmerlichen Wasserrationen von zwei Litern am Tag, sie dürsteten alle die Tage und Nächte hindurch. Nur wenige Schiffe kamen während

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