Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
scheint es mir am Platze, daß wir uns zur Ruhe begeben. Wir haben alle zusammen in letzter Zeit nicht allzu viel Schlaf bekommen.« Das war zweifellos richtig. Jetzt, da sich Hornblower für einen klar umrissenen Plan entschieden hatte und entschlossen war, auf Gedeih und Verderb daran festzuhalten, merkte er, wie ihm die Lider schwer wurden und wie ihn der Schlaf übermannen wollte. Als ihn seine Offiziere verlassen hatten, sank er todmüde in seine Koje. Da der Wind von Backbord querein kam und die Koje am Steuerbord-Schott lag, konnte er seine Glieder richtig entspannen und brauchte nicht zu fürchten, daß er womöglich herausfiel. Er schloß die Augen, und schon kreisten seine Gedanken um die Antwort auf jene Frage, die ihm Gerard gestellt hatte. Diese Antwort war scheußlich, es war eine entsetzliche Aufgabe, sich mit ihr auseinander zusetzen. Aber sie schien sich nicht vermeiden zu lassen. Er hatte seine Pflicht zu tun und war jetzt überzeugt, daß er sie wirklich nach bestem Vermögen tat. Er hatte ein reines Gewissen, er hatte das beruhigende Bewußtsein, alles bis ins einzelne sorgfältig durchdacht zu haben; eben darum aber wußte er auch um das unvermeidliche Schicksal, das ihm aus seiner Pflichterfüllung erwachsen mußte. Vor diesem schauerlichen Wissen gab es einstweilen nur eine Rettung, die Flucht in den Schlaf. So schlief er denn, bis der Morgen dämmerte, ja, er blieb noch darüber hinaus eine Weile im Halbschlummer liegen, bis er bei zunehmendem Tageslicht so klar zu denken begann, daß ihm seine grausame Idee wieder zum Bewußtsein kam.
So nahm die historische Wettfahrt der Crab nach dem Tobago-Kanal ihren Anfang. Sie führte über eine Strecke, die fast der Breite des Atlantiks entsprach. Der unermüdliche Passat drückte das kleine Schiff bis zur Reling weg, während es sich krachend und stampfend den Weg durch die rollenden Brecher bahnte. Da auf einem so kleinen Fahrzeug nichts geheim bleiben konnte, wußte bald jeder Mann an Bord, daß ein Rennen im Gange war, und jeder legte sich denn auch mit solcher Begeisterung ins Zeug, daß es eine helle Freude war. Die ergebenen Blicke der Männer richteten sich immer wieder auf die einsame Gestalt ihres Admirals, der breitbeinig auf dem winzigen Achterdeck stand, wo ihm der Passat sausend um die Ohren wehte. Jeder wußte um das Wagnis, das er eingegangen war, jeder wünschte ihm, daß er gewann, aber niemand ahnte etwas von dem, was ihn in Wahrheit zur Verzweiflung trieb, von jener bereits zur Gewißheit gewordenen Erkenntnis, daß seine Laufbahn mit dieser Fahrt ihr Ende fand, gleichgültig ob er das Rennen gewann oder ob er es verlor. Die Crab sollte alles hergeben, was an Fahrt in ihr steckte, und das bedeutete natürlich eine unausgesetzte Inanspruchnahme ihrer Besatzung.
Dennoch wäre es niemand eingefallen, sich darüber zu beklagen. Die Männer holten und fierten willig die Schoten, wenn die Segelstellung auch den kleinsten Änderungen in der Windrichtung angepaßt werden mußte, sie waren jedes Mal blitzschnell bei der Hand, wenn die Segel erst im allerletzten Augenblick vor dem Einfallen einer Bö gekürzt wurden, und waren ebenso rasch dabei, sie wieder zu setzen, wenn das Unwetter abgezogen war. Alle Mann taten freiwillig Ausguckdienst, und der Admiral hätte es wirklich nicht nötig gehabt, dem, der die Daring als erster sah, eine goldene Guinee zu versprechen - die Möglichkeit, ihr zu begegnen, war ja schon jetzt, längst vor Erreichen des Tobago-Kanals, nicht ganz von der Hand zu weisen. Wen scherte es schon, daß die Hemden und Kojen naß wurden, wenn der Gischt wie ein funkelnder Regenbogen über das Vorschiff fegte und seinen Weg unter Deck fand, wer fragte danach, daß der hartgepreßte Schooner in der schweren Dünung so heftig zu Kehr ging, daß er durch die klaffenden Nähte Wasser machte? Der allstündliche Logwurf, die tägliche Errechnung des zurückgelegten Etmals wurden selbst von jenen mit Spannung erwartet, die diesen nautischen Künsten sonst mit der fatalistischen Gleichgültigkeit des Mannes vor dem Mast zu begegnen pflegten.
"Ich muß die Wasserrationen kürzen, Mylord«, sagte Harcourt zu Hornblower gleich am ersten Tag. »Wie viel können Sie ausgeben?« fragte Hornblower und versuchte, sich den Anschein zu geben, als ob er die Antwort mit Spannung erwartete, damit man ihm seine Verzweiflung über die andere Sache auf keinen Fall anmerkte.
»Zwei Liter pro Tag, Mylord.«
Zwei Liter pro Tag und Mann - das war
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