Hornblower 11 - Zapfenstreich
hätte sie genau den richtigen Moment abgepaßt, überfiel mich die Emkommensteuerbehörde mit einer besonderen Nachprüfung, bei der Einzelheiten über die Quellen meines Einkommens verlangt wurden, um die ich mich nie gekümmert hatte und die die neue Sekretärin unmöglich wissen konnte.
Tag für Tag mußte ich, noch ganz benommen, vom Schreibtisch aufstehen, wo ich Hornblower im Kampf mit französischen Fregatten zurückließ, und Fragen über Dinge beantworten, von denen ich noch weniger verstand als von Harmonielehre und Kontrapunkt (wie ich es früher in diesem Buch bekannt habe). Die Vorsehung, die über Schlafwandlern und Betrunkenen wacht, kam mir zu Hilfe, und ich kann mich stolz damit brüsten, daß ich einer der wenigen bin, die aus einer Sonderprüfung der Einkommensteuer mit dem Ergebnis hervorgegangen sind, daß die Steuer mir Geld schuldete und nicht ich ihr. Wäre ich nicht gerade so in ›Hornblower auf der Hotspur ‹ vertieft gewesen, ich hätte den abschließenden Brief der Einkommensteuerbehörde rahmen lassen und an der Wand eines Arbeitszimmers aufgehängt - aber ich bin bis heute noch nicht dazu gekommen. Dies alles begab sich während der Sommermonate, und es ist doch bekanntlich so, daß auch gerade im Sommer die Besucher aufkreuzen - und bleiben möchten.
Nie ist mein Haus so voll von Gästen gewesen wie zu der Zeit, als ich an ›Hornblower auf der Hotspur ‹ schrieb, eine neue Sekretärin einarbeitete und mit der Einkommensteuer und Krankenhäusern zu tun hatte. Überall schliefen Freunde. Eine Zeitlang schlief eine reizende junge Frau auf einem gemieteten Bett, das in meinem Arbeitsraum aufgeschlagen war, und sie schlief lange, wie junge Frauen es lieben, so daß ich sie jeden Morgen aus dem Bett werfen mußte, bevor ich mich niederlassen konnte, um mit Hornblower zum Angriff auf die spanische Flotte loszusegeln. Es schien nicht möglich, es so einzurichten, daß wir einmal weniger als sechs beim Mittagessen und acht an der Abendtafel waren - alles recht vergnügte Leute, außer mir. Mir lagen Hornblower und Maria im Sinn - manchmal vielleicht auch die Einkommensteuer -, ich magerte bei den fünfzig Festmählern jener lebhaften Zeit zum Skelett ab.
Ich hatte einen gewichtigen Grund, das Buch trotz aller Hindernisse fertig zu schreiben. Nicht nur hatte ich, wie gewöhnlich, einen Ablieferungstermin versprochen und war, auch wie gewöhnlich, in höchster Spannung, ja Panik, da es dem Ende zuging, sondern es stand mir auch eine Reise um die Welt bevor. Überall waren die Zimmer bestellt, die Schiffsplätze waren gebucht - und im ersten Frühjahr sollten drunten auf einem kleinen Fleck in Südportugal die Narzissen mit ihren Reifröckchen blühen - zehntausend Meilen weit weg -, und es lag mir daran, genau zum richtigen Zeitpunkt dorthin zu kommen, wenn die kleine Reifrocknarzisse (eine der Großtanten der kultivierten Narzisse) dem unvoreingenommenen Auge auch als ein elendes kleines Ding erscheint, kaum sechs Zentimeter hoch und nicht wert, daß man ihretwegen die Straße überquert, geschweige denn um die Welt reist.
›Hornblower auf der Hotspur ‹ mußte einfach fertig werden, es überraschte mich nicht im geringsten, daß die volle Entfaltung der Geschichte mehr Worte erforderte, als ich zu Beginn gerechnet hatte. Zehn Tage hatte ich mir in Reserve gesichert, und neun davon gingen mit Hornblowers Beförderung zum Kapitän drauf. So kam es, daß ich am gleichen Tage, als die Kopien des Buches zur Post gebracht wurden, um nach Osten zu den Verlegern zu reisen, meine Fahrt nach Westen begann, über Neuseeland den Reifrocknarzissen entgegen. Nicht einmal für die übliche Enttäuschung blieb mir Zeit, und kaum dafür, daß mir die Erkenntnis kam, daß ich für immer Schluß gemacht hatte mit Hornblower.
Sechzehn Monate waren vergangen, seit ich das letzte Wort für ›Hornblower auf der Hotspur ‹ geschrieben hatte. Freilich hatte Hornblower mich inzwischen von Zeit zu Zeit beunruhigt.
Man hätte doch meinen sollen, da ich nun alle Lücken seines tatenreichen Lebens ausgefüllt hatte, fände sich gar keine Gelegenheit mehr, sich noch Neues über ihn auszudenken. Und doch finde ich solche Möglichkeiten. Hier ein Beispiel, das ich niederschreibe, um zu zeigen, wie ein Stoff sich mir bietet, so daß es nur noch des Aufschreibens bedarf. Ich bin selber neugierig, wie die nächsten Abschnitte aussehen werden, wenn ich damit fertig bin (ich kann es mir kaum vorstellen), aber wenn ich
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