Horror Cocktail
sehr beschäftigter Mann, Mr. Millaney. Sie können schließlich nicht alles wissen.«
»Das stimmt.« Es stimmte. Aber das hier war eine Sache, von der ich unbedingt gewußt haben sollte. Selbstverständlich würde sich Joe früher oder später an Buzzies Freundin heran-gemacht haben. Aber warum hätte das nicht ein klein wenig später sein können?
»Nun, jedenfalls möchte ich, daß Sie mich engagieren.«
»Haben Sie eine besondere Show im Auge?«
Sie zuckte die Schultern. »Das ist mir eigentlich egal. Sie können mir einen Pauschalvertrag mit dem Sender geben.«
Melody Morgans falsche Wimpern hörten auf zu blinkern. Sie sah mich ganz ruhig an. »Ich will Sie nicht in Verlegenheit bringen, da ich wirklich eine lausige Sängerin bin. Ich werde nicht darauf bestehen, aufzutreten. Geben Sie mir einfach den Vertrag, und ich bin zufrieden.«
»Nun …« Ich zögerte. »Wir haben da natürlich einen Vertrag für ein festes Engagement. Die übliche Laufzeit ist sechs Monate. Aber …«
»Bitte.« Sie erhob sich. »Ich möchte einen Vertrag für fünf Jahre. Und zwar unkündbar. An die kürzeste Laufzeit habe ich wirklich nicht gedacht. Und ich dachte auch nicht an die niedrigste Gage.«
»Was hatten Sie sich denn da so vorgestellt?«
»Tausend die Woche«, sang sie in perlenden Tönen. Ihr 36
Auftritt war wirklich perfekt.
Ich stand da. Ich hatte eine Menge Antworten auf Lager, aber keine davon war wirklich gut. Ich hätte sie fragen können, ob sie verrückt geworden sei, ob sie durchgedreht habe, wer sie sich eigentlich einbildete zu sein, mit wem sie wohl glaubte zu sprechen. Aber ich wußte, daß so etwas nicht helfen würde.
Nicht einmal Buzzie Waters’ vier Autoren wäre in diesem Augenblick etwas Vernünftiges eingefallen.
Ich räusperte mich und sagte: »Weiß Buzzie, daß Sie hier sind?«
Sie lachte. »Natürlich nicht. Das wissen wir doch beide.
Buzzie weiß überhaupt nichts mehr. Oder, Mr. Millaney?« Sie sah meinen Gesichtsausdruck und lachte noch einmal auf. »Ich bestehe nicht auf einer Antwort auf diese letzte Frage. Es könnte peinlich für Sie sein. Antworten Sie mir lediglich auf meine Bitte um den Job.«
»Und wenn ich das nicht tue?«
»Dann, fürchte ich, muß ich Ihnen die letzte Frage noch einmal stellen. Und noch eine Menge weiterer Fragen. Zum Beispiel, was aus diesem Knaben geworden ist, den Buzzie gefeuert hatte, diesem Joe Traskin. Ich habe ihn in letzter Zeit überhaupt nicht mehr gesehen. Sie vielleicht?«
Ich beugte mich vor. »Wie sind Sie …«
»Bitte! Jetzt wird es mir peinlich. Wenn ein Mädchen mit Buzzie so intim befreundet ist wie ich, dann müssen einem doch gewisse Dinge auffallen, oder? Kleine Veränderungen.
Unterschiede. Und dann zählt man zwei und zwei zusammen, und schon hat man das Ergebnis.«
»Und zu welchem Ergebnis sind Sie gelangt?«
»Tausend die Woche«, sang sie wieder. Und es gab nur einen Weg, dieses Singen abzustellen.
»Na, schön«, sagte ich. »Aber ich muß Ihnen wohl nicht sagen, was das für ein Geschäft ist. Sie müssen Ihren Mund halten.«
37
»Mit Vergnügen.«
Es würde einer Menge Umwege und Beziehungen und riesiger Erklärungen bedürfen, um den Leuten begreiflich zu machen, warum ich so einem zweitklassigen Flittchen einen Fünfjahresvertrag gegeben hatte. Und wahrscheinlich mußte ich die tausend pro Woche letzten Endes doch aus meiner eigenen Tasche bezahlen. Aber es gab keinen anderen Ausweg.
Jetzt nicht. Nicht, bis ich mit Joe gesprochen hatte …
Joe konnte mir nicht helfen.
»Ich sage Ihnen, ich weiß überhaupt nichts davon«, erklärte er. »Ich habe nie den leisesten Verdacht geschöpft, daß sie irgend etwas vermuten könnte.«
»Aber warum mußten Sie unbedingt bei ihr herumhängen?«
»Die Antwort darauf müßte Ihnen doch selbst einfallen. Weil sie und Buzzie so eng befreundet waren. Ich konnte sie nicht fallenlassen, sonst hätten die Schwierigkeiten augenblicklich angefangen. Sie wissen, daß er ihr dieses Appartement finanziert hatte. Sie hätte ein Getöse veranstaltet…«
»Wie nennen Sie das?« unterbrach ich ihn. »Tausend Dollar die Woche! Das stinkt zum Himmel!«
»Harte Geschichte. Aber so spielt das Schicksal.«
»Es müßte aber nicht so weiterspielen.«
»Was meinen Sie damit?«
Ich blickte zur Decke. »Nehmen Sie mal an, Sie haben ein Haustier, Joe. Sagen wir, einen Kanarienvogel. Und Sie werden seiner überdrüssig. Vielleicht wollen Sie ihn einfach nicht mehr singen hören.
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