Horror Factory 10 - Rachegeist
ich mich noch nicht aufgelöst?«, frage ich stattdessen.
»Schon keine Lust mehr?«
»Ich dachte, dass Geister eher die Nacht bevorzugen.«
»Ich wusste nicht, dass du so viel Erfahrung darin hast, ein Geist zu sein.«
Erneut spare ich mir die Antwort.
Am Haus fährt gerade der Zeitungsjunge auf seinem Fahrrad vorbei, ohne mich zu beachten.
Auch ein paar Jogger nehmen keinerlei Notiz von mir.
Kümmert mich nicht.
Dem Gefängnis entkommen zu sein, in dem ich meine alte Existenz beendet und eine grässliche Nacht hinter mich gebracht habe, erneuert das Gefühl der Freiheit und der Leichtigkeit.
Nach dieser Nacht eine echte Befreiung.
Ich lasse die Katze, die leider weniger verschwiegen ist als die des Kinksters, einfach im Garten zurück.
Das Gefühl der Freiheit ist zu kostbar, um es in sinnlosen Wortgefechten mit dem Tier aufs Spiel zu setzen.
Ich fühle mich für alles gewappnet und gleite durch die Vordertür ins Haus, was mir ein geeigneter Kompromiss zwischen meinen alten Gewohnheiten und meinen neuen Möglichkeiten zu sein scheint.
Schwebe durch Flur und Treppenhaus.
Direkt ins Schlafzimmer.
Es ist leer.
Erleichtert setze ich meinen ersten freien Spuk fort.
Jetzt, da ich nicht mehr an einen Raum gebunden bin, merke ich erst, wie schnell und frei und flexibel ich mich wirklich bewegen kann.
Möglicherweise bin ich doch nur noch ein Gedanke.
Und was ist schon freier als die Gedanken?
Wahrscheinlich sind die meisten Umwege, die ich noch mache, einzig und allein meiner Konditionierung geschuldet.
Meinen alten Denk- und Bewegungsmustern.
Die nun allesamt hinfällig sind.
Fühlt sich eigentlich gar nicht mal so schlecht an.
Bis ich Elizabeth und Marc im Gästeschlafzimmer erwische.
Schöne Scheinmoral.
Wutentbrannt fliege ich runter in die Küche.
Doch während ich Distanzen schneller denn je überwinden und endlich auch durch alle Wände und sonstigen Hindernisse geistern kann, ist es mir noch immer unmöglich, eines der japanischen Messer aus dem Block zu ziehen.
»Dreck«, fluche ich und kehre in den Garten zurück.
»Was Interessantes gesehen?«, fragt die Katze arglos.
»Du bist ja immer noch da.«
»Sei froh.«
»Wieso?«
»Jemand muss dich ja daran erinnern, dass die Zeit läuft.«
»Was weiß eine Katze schon von Zeit?«
»Genug, um dir zu raten, dich zu beeilen.«
»Was soll das denn jetzt schon wieder bedeuten?«
Die Katze leckt sich sorgfältig die Pfoten.
»Schon in Ordnung«, erklärt sie zwischen ihrer Katzenwäsche. »Du musst nicht so tun, als ob dich meine Meinung interessiert. Schwirr nur weiter sinnlos durch die Gegend, bis du dich auflöst.«
Vielleicht liegt es am Garten.
Dem Frieden, den die Natur um diese Uhrzeit ausstrahlt.
Denn ich überlege ernsthaft, ob ich die Dinge einfach ihren Lauf nehmen lassen sollte.
Dann löse ich mich eben auf.
Na und?
Ich hab eh nicht damit gerechnet, dass nach dem Tod noch was kommt.
»Was wäre eigentlich so schlimm daran?«, frage ich die Katze daher wider besseren Wissens. »Was interessiert es mich noch, was Elizabeth und dieses Arschloch treiben? Hat mich zu Lebzeiten ja auch nicht groß gekümmert.«
Die Katze sieht mich gelangweilt an.
Bevor sie etwas erwidern kann, höre ich Elizabeth kommen.
Voll auf ihre Kosten, heißt das, und:
In voller Lautstärke.
Scheiße.
Sie hätten wenigstens das Kippfenster zumachen können.
Die Katze rollt sich auf die Seite und wirft mir einen amüsierten Blick über ihre verdrehte Körpermitte zu.
Das schaffen auch nur Katzen.
»Klingt, als hätten sie ihren Spaß«, schnurrt sie. »Aber ich weiß schon – das ist okay für dich.«
Ich lasse mich neben der Katze ins Gras fallen.
Schwebe praktisch sitzend über dem Rasen.
Die Illusion ist in erster Linie für mich gedacht.
Deprimiert mich umso mehr.
»Du bist eine ziemlich gemeine Katze.«
Während sich mein Gesprächspartner im Gras hin und her rollt, spukt mir nur noch ein Gedanke durch den Kopf.
Rache.
Ich will es den beiden heimzahlen.
Um jeden Preis.
Egal wie.
Das ist alles, was noch zählt.
Elizabeth.
Marc.
Ihr Verrat.
Meine Rache.
Ich frage mich, wie ich es anstellen soll.
Wie ich in meiner Verfassung etwas gegen sie unternehmen soll.
Ich blicke zur Seite und mustere die Katze.
»Würdest du dem verlogenen Scheißkerl die Augen auskratzen, wenn ich dich nett darum bitte?«
»Vermutlich nicht.«
»Dachte ich mir. Irgendwelche anderen Vorschläge?«
»Seit wann interessiert dich, was ich
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