Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Horror Factory 13 - Epitaph

Horror Factory 13 - Epitaph

Titel: Horror Factory 13 - Epitaph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
enthäuteter Schädel nach vorne kippte und mich aus leeren Augenhöhlen angrinste, spuckte sie die Fleischmaske der Asiatin in eine Zellenecke. Dann rissen die mächtigen Dornenpaare ihren Körper von der Schulter bis zur Hüfte entzwei, als bestünde er aus Pappmaschee. Eingeweide glitten aus dem gespaltenen Torso über meine Brust, begleitet von einem Blutschwall. Ein schwammig-warmer Lungenflügel klatschte mir ins Gesicht, der andere blieb zwischen den Rippen hängen. Ich wischte das Organ von mir, bemüht, sie dabei nicht zu berühren.
    Als vor der Zellentür aufgeregte Stimmen laut wurden, riss sie Lijus Körper in die Höhe und verschwand mit ihm im Schatten des Mauerwerks. Das Klirren eines Schlüsselbundes mischte sich in das energische Zurückschnappen der Schließriegel. Zwei längliche Objekte stürzten auf mich herab. Eines von ihnen traf mich in den Unterleib und ließ mich schmerzvoll aufstöhnen, das andere fiel neben dem Bett zu Boden, federte noch einmal empor und blieb schließlich neben der Tür liegen. Es waren Lijus Beine.
    Als Naumann mit drei Wärtern in mein Zimmer trat, riss das Licht ihrer Lampen ein wahrlich schauerliches Szenario aus der Dunkelheit: Von in der Kälte dampfenden Eingeweiden bedeckt, kauerte ich – Lijus linkes Bein zwischen den Schenkeln – nackt auf dem Bett. Die Laken waren getränkt mit Blut und anderen Körpersäften, und an der Decke tropfte ein bizarrer Blutfleck mit den Konturen eines Menschen. Es war ein Anblick, der das dämliche Grinsen schlagartig aus den Pfannkuchengesichtern der Wachen bannte. Einer von ihnen wandte sich ab und übergab sich, die anderen beiden starrten wie versteinert auf mich. Lijus auf dem Boden liegendes Bein wirkte wie eine Bannlinie, die keiner zu übertreten wagte.
    Nun hatte ich eine Vorstellung davon erhalten, was vor Tagen in Sisophon geschehen war.
*
    Nach diesem Vorfall setzten tagelang weder er noch sein ›Pflegepersonal‹ einen Fuß über die Türschwelle. Wahrscheinlich befürchteten sie, der Rest von Naumanns Adjutantin könnte auf die eine oder andere Weise wieder auftauchen, während sie sich in meiner Nähe aufhielten – oder einer der Ihren Lijus Schicksal teilen. Ma cà rồng , hörte ich sie vor der Tür munkeln. Blutsauger. Totenfresser.
    Für die Beseitigung von Lijus Überresten war ich selbst verantwortlich. Naumann ließ mich in meiner Zelle schmoren und hungern, bis ich die Spuren unserer tödlichen Liaison bis zu seiner Zufriedenheit entfernt hatte. Das Blut durfte ich mit meiner Kleidung aufwischen, mein Bettzeug mit bloßen Händen waschen. Wasser war alles, was ich in diesen Tagen zu mir nehmen konnte. Niemand kam, um die Matratze auszutauschen. Ich war gezwungen, in Lijus Blut zu schlafen oder mich in einer sauberen Ecke der Zelle auf dem Boden zusammenzukauern. Naumann vermied es, sich in meiner unmittelbaren Nähe aufzuhalten. Die Prozedere, bei denen Körperkontakt so gut wie unvermeidlich war, überließ er seinem Personal, das seine Beklommenheit durch besondere Rohheit zu kompensieren versuchte – sofern sie ein gewisses Maß an ›kreativer Freiheit‹ erkannten. Die Waschprozeduren wurden länger, die Stockhiebe gezielter, die Essensrationen schlechter und hin und wieder mit pikanten Beilagen gewürzt. Dabei trat die kleinmütige Schergenschar zunehmend in Rudeln auf, um sich gegenseitig anzustacheln. Erst Naumann unterband die Misshandlungen, indem er ihre Initiatoren zu Prügelstrafen verurteilte. Und sie kuschten; voll Verachtung zwar, aber sie ließen mich fortan in Frieden. Erst neun Tage nach Lijus Tod hatte Naumann mir gegenüber jedoch wieder genügend Selbstvertrauen gewonnen, um die Sitzungen im Epitaph fortzusetzen.
*
    Der metaphysische Arschtritt ins Jenseits wurde illuminiert vom vertrauten Neuronenblitz, gefolgt von der vertrauten Stille.
    Ich erwachte in unmittelbarer Nähe des Stundenzeigers und fragte mich, wer oder was an meiner Stelle die Minuten zählte, solange ich es nicht tat. Die noch vor Tagen herrschende Dunkelheit war düsterem Zwielicht gewichen. Bisher hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie diese Dimension beschaffen sein mochte; ob sie der Welt glich, die ich kannte, oder ein grenzenloses Ewigweit war, in dem sich jede Seele, die nicht an eine Uhr gebunden war, für immer verlor.
    So weit das Auge reichte, erhoben sich um mich herum Türme mit den Grundrissen gleichschenkliger Dreiecke. Da sie weder Fenster noch anderweitige Öffnungen besaßen, konnte

Weitere Kostenlose Bücher