Horror Factory - Das Grab: Bedenke, dass du sterben musst! (German Edition)
ist gepackt; eine kleine unauffällige Umhängetasche, wie vor allem die jüngere Generation sie heutzutage mit sich herumträgt. Meist steckt ein Laptop darin oder – noch moderner – ein Tab, von dem aus man von jedem Punkt der Welt aus auf eine Scheinwelt zugreifen kann, die sich World Wide Web nennt.
Ich bin technisch up to date. Zeit genug, mich an die Gepflogenheiten zu gewöhnen, hatte ich ja.
Obwohl: Wer hat schon Zeit genug ?
Ich nehme die Tasche, ziehe den Reißverschluss auf und inspiziere kurz den Inhalt. Geld. Eine Unmenge Geld, das meiste noch von Banderolen zusammengehalten, lacht mir entgegen.
Nein, ich habe keine Bank überfallen. Es ist alles redlich … verdient. Oder gewonnen – das trifft es eher. Diese Versprechung von ihm wurde erfüllt. Er sagte, ich müsse mir nie Gedanken machen, wie ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Auch ohne festen Beruf würde ich stets Geld in Hülle und Fülle haben.
Für jemanden, an dessen Sohlen das sprichwörtliche Glück klebt, ist das einfach. Du gehst in einen Laden, wo du in der Lotterie mitspielen kannst, erwirbst ein Los (ein einziges genügt, ich habe es mehr als einmal probiert) und lehnst dich dann einfach bis zur Ziehung der Gewinner zu Hause in deinem bequemsten Sessel zurück.
Bingo!
So habe ich binnen kürzester Zeit ein Vermögen angehäuft.
Ganz legal und steuerfrei.
Natürlich habe ich keinen Wind darum gemacht, sondern darauf bestanden, dass ich anonym bleibe. Ich habe lange genug selbst in der Zeitung gestanden – so wie Sam Tyler in seinen besseren Tagen.
Ich schließe den einen Reißverschluss und ziehe den nächsten auf, an der Außenseite der Tasche. Der Inhalt dieses Faches besteht nur aus wenigen Dokumenten, aber mehr werde ich nicht brauchen, wenn ich geschickt vorgehe. Die falschen Pässe haben mich eine Stange Geld gekostet. Aber wenn Geld keine Rolle spielt, ist das zu verschmerzen.
Ich stecke die Papiere, die mir für meine Flucht am geeignetsten erscheinen, griffbereit in die Innentasche meiner Jacke.
Dann nehme ich mein einziges Gepäck und trage es hinunter in den Flur. Ich stelle es auf die unterste Treppenstufe, öffne die Haustür und wiederhole, was ich vor einer Stunde schon einmal tat: Ich gehe so resolut auf den Wagen drüben zu, dass die Frau hinter dem Steuer mich sehen muss – und hoffentlich dem gleichen Reflex folgt wie ihr männlicher Kollege vor ihr.
Ich lächele zufrieden in mich hinein, als der Motor anspringt. Doch statt loszufahren, greift die Insassin nach einem Handy und fängt an hineinzusprechen. Offenbar hat genau in diesem Moment ein Anruf sie erreicht.
Ich zögere, weiß aber, dass es kein Zurück mehr gibt. Also spiele ich meine Rolle weiter bis zum Ende durch. Vielleicht kann ich sie doch noch vertreiben. So lange wenigstens, um meine Tasche zu schnappen, in meinen Wagen zu steigen und mit Vollgas Richtung Flughafen zu fahren.
Die Frau hinter der nassen Scheibe sieht aus, als wäre sie in ein Aquarium gesperrt. Das schlierige Glas lässt ihr Gesicht verschwimmen. Riesengroß die Augen, die mich anstarren, während sie weiter in das Handy spricht. Riesengroß der Mund.
Sie schrickt zusammen, als ich mit der flachen Hand auf das Wagendach patsche. So heftig, dass mir Wasser ins Gesicht spritzt.
Die Frau beendet ihr Gespräch. Die Scheibe fährt daumenbreit herunter. Gerade so viel, dass ich höre, wie die Unbekannte mit aufgesetzter Strenge sagt: »Hören Sie sofort damit auf. Gehen Sie ins Haus zurück!« Sie kramt etwas hervor und hält es mir von innen an die Scheibe. Ein Dienstausweis.
Ich bin nicht überrascht, tue aber, als wäre ich es. »Constabler? Was hat das zu bedeuten? Sie sind schon die zweite Person, die heute mein Haus beobachtet. Ich wollte schon die Polizei rufen, weil ich dachte, jemand wolle einen Einbruch vorbereiten und die Verhältnisse ausbaldowern … Hätte ich gewusst, dass die Polizei schon vor der Türe steht …«
»Bitte, Sir, gehen Sie in Ihr Haus zurück. Jemand ist unterwegs und wird Ihnen alles erklären. Beruhigen Sie sich jetzt, sonst zwingen Sie mich –«
Ich trete mit erhobenen Händen vom Wagen zurück.
Mein schöner Plan ist nur noch Makulatur.
5
Vergangenheit
Jede wache Stunde sinne ich über das Mysterium der Gruft nach, welches magische Geheimnis sie wohl in sich bergen mag. Weder mein Vater noch meine Mutter waren Menschen mit außergewöhnlichen Gaben, wie man es in manchen Gazetten liest oder bei Wirtshausgesprächen
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