Horror Factory - Das Grab: Bedenke, dass du sterben musst! (German Edition)
hat sich bewahrheitet! Es muss an diesem Ort liegen; diesem Ort scheint ein Zauber innezuwohnen, von dem niemand bislang auch nur ahnte.
Drei Jahrzehnte – und dennoch schimmert mir das Antlitz meines toten Vaters entgegen, als wäre er eben erst hier zur letzten Ruhe gebettet worden. Die Male, die ihn verunstalten, hatte er schon zu Lebzeiten, und gewiss tragen sie ursächlich Schuld an seinem Tod. Der Zustand des Leichnams kommt dem, der erwartet werden müsste, nicht einmal nahe.
Ich lege nun auch meine Mutter und meine Schwester frei: eine Frau, die so alt war wie ich heute – dreiundfünfzig –, als sie starb, und ein Kleinkind von wenigen Monaten, das mir die meiste Überwindung abverlangt.
Es ist überall das Gleiche: Ich finde die Leichen meiner Angehörigen genauso vor, wie sie einst hier abgelegt wurden. Der Zahn der Zeit hat ihren Körpern nichts anhaben können. Sie sind tot, aber sie können, so scheint es, nicht zerfallen.
Niemals?
Auch nicht in hundert oder tausend Jahren?
Bevor ich die Gruft verlasse, zücke ich ein Taschentuch und nähere mich damit dem toten Nager hinter meines Vaters Sarg. Ich breite es so über das hintere Ende des Kadavers, dass ich ihn am Schwanz fassen und aufheben kann, ohne ihn direkt berühren zu müssen. So trage ich ihn zu der Mülltonne, die neben dem Verschlag steht, aus dem ich mir das Brecheisen besorgte. Nachdem ich die Ratte samt Taschentuch darin versenkt habe, setze ich den Blechdeckel wieder darauf. Die Tonne ist fast voll, aber ich weiß nicht, wann ihr Inhalt abgeholt wird. Auch darum musste ich mich nie kümmern, solange Martha da war.
Im Haus angelangt, begebe ich mich schnurstracks in die Bibliothek, die noch auf meinen Vater zurückgeht. Seine Liebe zur Literatur hat er mir nicht vererbt. Dennoch sitze auch ich mitunter Stunden zwischen den Bücherwänden, dann aber vertieft in die großen Enzyklopädien und Lexika, die von den Wundern der großen weiten Welt berichten.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, darin nach wissenschaftlichen Erklärungen für den vollständigen Erhalt der Toten in der Gruft selbst nach Jahrzehnten zu suchen.
Aber außer Mythen und Legenden, die ein solches Phänomen zwar beschreiben, aber keine Erklärung dafür liefern, finde ich keinen Hinweis.
*
In dieser Nacht bleibe ich der Gruft fern. Es ist, als hätte ich mir meine erforderliche »Dosis« Nähe zu Liz schon bei Tage abgeholt, und so schlafe ich irgendwann über dem Studium der Bücher in meinem Ohrensessel ein.
Das Kläffen eines Hundes weckt mich. Dazu ertönt auch immer wieder dumpfes Scheppern.
Nur langsam finde ich zu mir. Das Buch, in dem ich zuletzt blätterte, ist mir vom Schoß gerutscht, die Kerzen im Lüster sind heruntergebrannt.
Ich hebe den Folianten auf und lege ihn auf den kleinen Beistelltisch. Es zwickt mir im Kreuz. Ich erhebe mich steif und strecke mich.
Das Kläffen hört nicht auf, wird im Gegenteil immer wilder.
Ich habe keinen Hund, aber es kommt vor, dass sich ein herrenloses Tier hierher verirrt. Einmal war es sogar ein tollwütiges.
Aus dieser Erfahrung gehe ich, bevor ich das Haus verlasse, zu dem Schrank, in dem ich eine Jagdflinte und Munition aufbewahre. Ich lade das Gewehr und fühle mich gewappnet, als ich ins Freie trete.
Der Lärm lockt mich hinters Haus, wo der Schuppen steht – und die Tonne, in die ich tags zuvor die tote Ratte stopfte.
Eine groteske Mischung aus Foxterrier und Bulldogge springt mit lautem Gekläff immer wieder dagegen, wodurch die Tonne gegen die Hauswand schlägt. Aber bislang ist es dem Köter noch nicht gelungen, sie umzuwerfen.
Er wittert die Ratte, denke ich. Der Mischling wirkt ausgehungert und scheut gewiss auch nicht davor zurück, einen Menschen anzugreifen. Der Schaum vor seinem Maul mag der Aufregung geschuldet sein, aber ebenso gut kann es ein Indiz für Tollwut sein.
Ich fackele nicht lange. Der verwilderte Hund hat mich noch gar nicht bemerkt, und so trifft ihn die volle Ladung Schrot wie aus heiterem Himmel. Ich erwische ihn mitten im Sprung, wodurch er etliche Yards weit durch die Luft geschleudert wird, aber nicht einmal mehr zuckt, als er aufschlägt.
Ich will mich ihm nähern, als ein Geräusch mich ablenkt und zu der Tonne mit dem Deckel blicken lässt.
Darin raschelt es.
Irritiert lade ich nach. Dann gehe ich hin und lupfe den Deckel vorsichtig. Nur einen winzigen Spalt. Doch er genügt offenbar. Von innen schlägt etwas gegen das Blech und zwingt die Lücke weiter
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