Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
Schlüssel in ein altes Schloss, es quietschte, ein Sperrhebel wurde beiseitegeschlagen. Die eine Torhälfte schwang langsam zur Seite, Evi trat auf die Straße. Freudestrahlend kam sie auf Marco zu und umarmte ihn. »Was freu ich mich, dich zu sehen! Endlich!«
Sie setzte ihm einen Schmatz auf die Wange und zog ihn mit sich, hinein ins kühle Dunkel des Hauses. »Ich habe so selten Besuch hier, und es ist so ein grässlich großer Laden«, plapperte Evi. »Ich weiß wirklich nicht, ob ich das Richtige getan habe, als ich das Palais kaufte. Es ist wunderschön, aber du kannst dir nicht vorstellen, was die Erhaltung kostet.«
Evi legte den Riegel wieder vor und versperrte das Tor, gut gelaunt und gesprächig, wie er sie niemals zuvor erlebt hatte. »Komm mit, komm, gehen wir in die Küche, das ist der gemütlichste Teil des Hauses.« Sie hakte sich bei Marco unter und zog ihn mit sich. Sie traten aus dem tunnelartigen Durchgang in den Innenhof, sicherlich dreißig Meter lang und ebenso breit, in dessen Zentrum sich ein Barockbrunnen befand. Steinerne Engel waren übereinandergetürmt. Sie hingen am Rocksaum einer Madonnengestalt, aus ihren Mündern sprudelte Wasser und plätscherte lustig ins kniehohe Becken.
»Schön, nicht wahr?« Evi zog ihn am Brunnen vorbei, so rasch, dass er kaum einen genaueren Blick darauf werfen konnte, auf die Goldfische, die darin schwammen. Einer von ihnen trieb bäuchlings an der Oberfläche, doch Evi kümmerte sich nicht weiter darum. Sie zeigte bloß ein kummervolles Gesicht – oder war es doch mehr? War sie wütend?
Marco wusste ihren Blick nicht zu deuten. Er verschwand so rasch wieder, wie er gekommen war.
Sie folgten einem Steinweg. Links und rechts grünte das Gras, perfekt getrimmt. Rosenhecken waren sorgfältig zurechtgestutzt. Eine Eiche ließ ihre knorrigen, verdrehten Äste tief herabhängen. Sie beherrschte den hinteren Teil des Hofes. In ihrem Umfeld wuchsen eine Linde und eine Birke. Beide waren sie bloß Randgestalten in diesem seltsamen Arrangement, wie Zinnsoldaten, die in Habtachtstellung vor ihrem Befehlshaber standen.
Marco bemerkte eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Er meinte, ein Eichhörnchen auszumachen. Aber nein! Es war eine Katze, winzig klein, mit einem neugierigen Stupsnäschen, die durch das Untergestrüpp streunte, den Stamm der Eiche hinaufkletterte und dort aus seinem Blickfeld geriet.
»Bist du hungrig?« Evi lachte. »Ich hab mir alle Mühe gegeben, ich möchte dich heute wirklich verwöhnen.« Sie warf ihm einen vielversprechenden Blick zu.
»Das ist schön.«
Das ist schön?! Fällt dir denn kein dümmerer Spruch ein, Marco? Was ist bloß los mit dir?
Evi ignorierte sein unbeholfenes Verhalten. Sie zog ihn einfach mit sich und steckte ihn mit ihrer Ausgelassenheit an. Marco fühlte, wie sein Herz leicht und leichter wurde, wie seine Verspannung nachließ und all die Fragen, die er dieser wundersamen Frau hatte stellen wollen, immer mehr an Bedeutung verloren.
Was sollte er sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihn während der letzten Wochen und Monate behandelt hatte! Jetzt war er bei ihr, genoss ihre Nähe, ihre Wärme, ihre Laune.
Sie öffnete eine Glastür und schob sich an ihm vorbei ins Innere des Raumes. Er war riesengroß, fast so groß wie seine Wohnung. Die Front war durchgehend verglast. Freundliches Licht fiel auf zwei alte Kochherde und Küchengerät, das aus dem letzten Jahrhundert zu stammen schien. Da hingen kohlrabenschwarze Pfannen und Töpfe. Messer staken in einem uralten Holzblock, Schneidebretter zeigten Spuren starker Abnutzung. Mehl, Salz, Pfeffer, Zucker waren in Keramikbehältern gelagert, weitere Zutaten und das Geschirr standen in einem teilverglasten Altwiener Möbel, das Kredenz genannt wurde. Ein Teig lag auf der Anrichte ausgerollt, Teile davon waren bereits ausgestochen.
»Setz dich«, sagte sie. »Du kannst mir beim Kochen zusehen. Das regt den Appetit weiter an. Du isst doch gerne Tortellini? Mit einer Ricotta-Fleisch-Füllung und einigen geheimen Zutaten. Davor gibt’s Minestrone.«
Evi zog eine Küchenschürze über und bat ihn, sie ihr am Rücken zuzubinden. Er tat ihr den Gefallen und kam dabei nahe genug, um ihr Parfum riechen zu können. Sie duftete frisch. Jugendlich. Verführerisch.
»Angreifen verboten«, sagte sie schelmisch und schob ihn beiseite. »Zumindest vor dem Essen.«
Marco setzte sich und beobachtete Evi. Sie zerhackte Petersilie und Zwiebel mit jener Geschicklichkeit, die
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