Hostage - Entführt
Haus.
Dennis
Dennis langte nach der Wodkaflasche, fiel dabei vom Sofa und landete mit dem Gesicht in einer Schnapslache, während sein Hintern in die Luft ragte. Der zeigt ja nach vorne, dachte Dennis. Zu den Bullen auf der Straße.
Er tätschelte seinen Hintern und kicherte.
»Zu schade, dass ihr Bullen das nicht seht. Dabei könntet ihr mir jetzt so schön den weißen Knackarsch küssen.«
Dennis nahm die Flasche und rappelte sich auf. Er hielt sich an der Armlehne des Sofas fest, um nicht umzukippen, und zog die Pistole aus dem Hosenbund. Mit der in der Hand fühlte er sich gleich besser. Im Fernsehen kniete gerade eine Frau auf dem Fußboden und schob ein Trainingsgerät vor und zurück. Warum nimmt die zum Shapen nicht gleich ein Nudelholz? Ihre Bauchmuskulatur war klasse. Und so deutlich sichtbar wie auf den Anatomietafeln im Bio-Unterricht. Dennis sah sie mit dem Gefühl vollkommenen Verlusts an und setzte sich die Pistole an die Schläfe.
»Bumm.«
Er ließ die Waffe sinken.
»Scheiße.«
Dennis warf die Pistole aufs Sofa und betrachtete das Geld. Hundert-Dollar-Scheine lagen stapelweise in Reihen auf dem Tisch. Er zog die letzten Geldbündel aus seinen Taschen und legte sie fächerförmig in die Mitte. Hatte er nicht auf jede erdenkliche Weise versucht, das Geld zu behalten? Und doch war er gescheitert. Er hatte sich um ein Auto bemüht. Um einen Hubschrauber. Er hatte versucht, Talley zu kaufen – alles vergeblich. Er hatte schon einen Fluchtweg gefunden, aber dann hatten die Bullen ihn umzingelt. Jetzt waren ihm die Ideen ausgegangen, und er dachte, dass seine Mutter und die Lehrer womöglich Recht gehabt hatten und er, Dennis Rooney, wirklich dumm war. Er war ein ewiger Verlierer – und selbst unter den Verlierern noch ein ganz kleiner Fisch, der sich von Traum zu Traum hangelte, um die Gegenwart zu ertragen. Der panische Drang, mit einer Tüte Geld loszurennen, eine Deckung zu erreichen und doch noch im Schutz der Nacht zu verschwinden, durchzuckte ihn, aber er erkannte darin sein letztes, lahmes Aufbäumen. Im tiefsten Innern war er überzeugt, dass die Bullen ihn dann töten würden – und er wollte nicht sterben. Dazu hatte er einfach nicht den Mumm. Sosehr er das Geld haben wollte, musste Dennis sich doch eingestehen, dass er feige war. Tränen der Reue und der Scham traten ihm in die Augen. Kevin hatte Recht – es war Zeit aufzugeben.
Dennis rieb sich den Rotz von der Nase und riss sich zusammen.
»Das war's dann wohl.«
Er warf die Geldscheine in die Luft und sah zu, wie sie als grüner Regen um ihn herum niedergingen. Dann rief er nach Kevin.
»Kev!«
Der antwortete nicht.
»Mars!«
Nichts.
»Scheiße!«
Dennis torkelte in den Flur und von dort Richtung Küche. Die lag noch immer im Dunkeln. Nur das Scheinwerferlicht der Polizei, das durch die Terrassentür strahlte, drang als schwacher Schimmer bis dorthin. Er wollte sich ein Glas Wasser holen. Danach würde er Talley anrufen. Vielleicht würde man ihm für die Freilassung eines Kindes im Gegenzug ein Gespräch mit einem Anwalt zugestehen, und mit dem konnte er ausloten, was er dafür, dass er aufgab, an Vergünstigungen rausschlagen konnte.
»Kevin – wo bist du denn?!«
Da hatte der Mistkerl gebettelt, endlich aufzugeben, und jetzt, wo Dennis dazu bereit war, hatte er sich irgendwo verkrochen. Dieser erbärmliche Feigling.
»Mars!«
Die Stimme vom anderen Ende der Küche ließ ihn zusammenfahren.
»Was hast du vor, Dennis?«
Der schwenkte herum wie ein Vollschiff unter Segeln und spähte in die Dunkelheit.
»Wo ist Kevin?«
»Hier nicht.«
»Wo dann? Ich will ihn sehen.«
Dennis wollte seinen Entschluss erst mit Kevin besprechen, denn er fürchtete, Mars würde versuchen, ihn davon abzubringen.
Inzwischen konnte er die Umrisse von Mars in der Dunkelheit erkennen. Vermutlich war er aus der Speisekammer gekommen. Oder aus der Garage.
»Kevin ist gegangen.«
Dennis verstand ihn nicht und wurde ärgerlich.
»Was soll das heißen? Ist er im Sicherheitsraum oder im Büro oder wo? Ich muss mit ihm reden.«
»Er wollte nicht länger bleiben. Er ist gegangen.«
Dennis stierte Mars an. Jetzt verstand er, glaubte ihm aber nicht. Kevin kann mich doch unmöglich im Stich gelassen haben, sagte er sich.
»Moment mal. Soll das bedeuten, dass er aus dem Haus gegangen ist und sich ergeben hat?«
»Ich hab mitbekommen, wie er mit dem Mädchen geredet hat.«
»Dieses Arschloch!«
»Tut mir Leid, Dennis. Ich bin
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