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Hostage - Entführt

Titel: Hostage - Entführt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Crais Robert
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durch den Flur zur Garage. Er hatte nur eine blaue Nylon-Sporttasche mit 100.000 in bar dabei, Pillen gegen Bluthochdruck und seine Pistole. Alles andere konnte er kaufen, wenn sie gelandet waren – schließlich hatte er mehr als 30 Millionen Dollar auf ausländischen Konten.
    Benza öffnete die Garagentür, warf die Nylontasche auf den Rücksitz seines Mercedes und setzte sich ans Steuer. Er ließ das Auto an, legte den Rückwärtsgang ein, trat kräftig aufs Gaspedal und setzte in weitem Bogen zur Haustür zurück. Er fuhr so schnell, dass er beinahe den unscheinbaren Wagen gerammt hätte, der quer in der Einfahrt stand.
    Mündungsfeuer flackerte hinter dem Fahrzeug auf, und Benzas Heckscheibe wurde durchsiebt. Die Kugeln warfen ihn gegen das Lenkrad, dann auf den Beifahrersitz. Sonny Benza versuchte noch, die Pistole aus der Tasche zu holen, aber alles ging viel zu schnell. Jemand riss die Fahrertür auf und schoss ihm in den Kopf.

FÜNFTER TEIL
    Die Avocado-Plantage
     
     

29
    Sonntag, 14:16
Zwei Wochen später
    Talley
    Vor seinem inneren Auge lief immer der gleiche Film ab: Wenn Jeff Talley in die Avocado-Plantage kam, stellte er sich vor, wie Brendan Malik zwischen den Bäumen spielte. Er hörte den Jungen lachen, sah, wie er beim Rennen Staub aufwirbelte, dann auf einen Baum kletterte und sich an den Kniekehlen kopfüber von einem Ast baumeln ließ. In diesen Tagträumen war Brendan immer glücklich und lachte – obwohl seine Haut todesfleckig war und ihm das Blut aus dem Hals schoss. Talley hatte sich den Jungen nie anders vorstellen können.
    »Woran denkst du?«, fragte Jane.
    Die beiden hatten es sich auf den Vordersitzen seines Streifenwagens bequem gemacht und sahen den Rotschwanzfalken zu, die über den Bäumen schwebten. Amanda war in Los Angeles geblieben, doch Jane war übers Wochenende gekommen.
    »An Brendan Malik. Weißt du noch? Diesen Jungen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Jetzt erst wurde Talley klar, dass er ihr nie von ihm erzählt hatte. Er hatte mit niemandem über Brendan Malik gesprochen. Nicht mal mit dem Polizeipsychologen.
    »Ich schätze, ich hab dir das nie erzählt.«
    »Wer war das?«
    »Er ist bei einem meiner Verhandlungseinsätze ums Leben gekommen. Das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
    Jane nahm seine Hand und drehte sich zu ihm.
    »Wenn es dich beschäftigt, ist es wichtig.«
    Talley dachte darüber nach.
    »Er war ein kleiner Junge, etwa neun oder zehn – ungefähr so alt wie Thomas. Manchmal denke ich an ihn.«
    »Du hast ihn nie erwähnt.«
    »Das stimmt wohl.«
    Unwillkürlich begann Talley, ihr von Brendan Malik zu erzählen. Davon, wie er die Hand des Jungen gehalten und in seine Augen geblickt hatte, als er starb. Und von dem überwältigenden Gefühl, versagt zu haben. Von der quälenden Scham.
    Sie hörte zu und begann zu weinen, und er weinte auch.
    »Ich hab gerade versucht, mir sein Gesicht vorzustellen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich weiß nicht, ob ich darüber glücklich oder traurig sein soll. Findest du das schlimm?«
    Jane drückte seine Hand.
    »Jedenfalls ist es gut, dass wir darüber sprechen. Es zeigt, dass es dir allmählich besser geht.«
    Talley zuckte die Achseln und lächelte.
    »Wurde ja auch langsam Zeit.«
    »Hast du was über Thomas rausgefunden?«
    »Ich hab's versucht, aber die sagen mir nicht das Geringste. Ich schätze, so ist es am besten.«
    Für Walter Smith und seine Familie war ein Zeugenschutzprogramm eingerichtet worden; sie waren einfach verschwunden. Gestern noch da, heute weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Talley hoffte, Thomas werde eines Tages mit ihm Verbindung aufnehmen, aber er hielt das für unwahrscheinlich. Es war sicherer so.
    Jane fragte: »Wann musst du wieder zum Dienst?«
    »Ich hab Zeit – bin ja der Chief.«
    Jane lächelte.
    »Dann lass uns spazieren gehen.«
    Sie gingen in der Sonne, dann im Schatten, dann wieder in der Sonne. Ringsum taumelten Bienen schwerfällig und träge in der Mittagshitze. Es war gut, spazieren zu gehen. Friedlich. Talley hatte sich lange Zeit zurückgezogen, sich in sich selbst verkrochen, doch jetzt war er zurückgekehrt. Oder zumindest auf dem Weg zurück.
    Wie immer war es in der Plantage still wie in einer Kirche.
    »Ich bin froh, dass du da bist, Jane.«
    Sie drückte seine Hand. Da wusste Talley, dass man in einer Kirche zwar die Toten betrauert, aber auch die Lebenden feiert. Sie konnten neu beginnen.
     

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