Hostage - Entführt
Zeugenschutzprogramm. Was geht hier vor, Chief? Walter Smith – was ist das für einer?«
Talley sah sie an. Ihre Augen blieben unverwandt, gelassen und ohne Arglist auf ihn gerichtet. Ihm gefiel, wie wohl überlegt und bedächtig sie ihm bei aller Direktheit begegnete. Vermutlich würde ich sie mögen, dachte er. Wenn mal Zeit wäre, sie kennen zu lernen. Und wahrscheinlich ist sie eine sehr gute Polizistin. Plötzlich drückte die bleierne Last dieses Tages mit solcher Gewalt auf ihn, dass er wie betäubt war. Er musste mit zu vielen Dingen gleichzeitig fertig werden und zu viele Lügen erzählen. Alles war zu kompliziert, und er durfte sich keinen Fehler leisten. Er war wie ein Jongleur, der hundert Bälle in der Luft hatte – früher oder später würde er einen verlieren. Und wenn der auf den Boden fiel, würde jemand sterben. Das durfte einfach nicht passieren. Er durfte Amanda und Jane nicht im Stich lassen. Und die Kinder im Haus auch nicht. Nicht mal Walter Smith.
»Ich brauche Hilfe.«
»Deshalb sind wir hier, Chief.«
»Sagt Ihnen der Name Sonny Benza etwas?«
Sie blickte ihm forschend ins Gesicht, und er dachte schon, sie könne mit dem Namen nichts anfangen, doch dann sagte sie: »Das ist dieser Gangster, nicht?«
»Smith arbeitet für ihn. Er hat was im Haus, das Benza hinter Schloss und Riegel bringen kann. Und das will Benza haben.«
»Au Backe.«
Talley sah sie an und spürte, wie ihm die Augen feucht wurden.
»Er hat meine Frau und meine Tochter entführt.«
Martin blickte zur Seite.
Talley berichtete ihr von den Disketten, vom Rolex-Mann, von Jones und erzählte, wie er bis jetzt vorgegangen war und was er vorhatte. Sie hörte ihm zu, bis er fertig war, ohne eine Frage zu stellen oder eine Bemerkung zu machen. Dann trat sie die Zigarette mit dem Absatz aus und sah zu den beiden Transportern rüber, in denen Jones' Leute warteten.
»Das müssen Sie dem FBI melden.«
»Unmöglich.«
»Übergeben Sie die Sache der Abteilung Organisiertes Verbrechern. Mit dem, was Sie rausbekommen haben, können die Benza aus dem Bett heraus verhaften und ihm die Daumenschrauben ansetzen. Gleichzeitig stürmen wir das Haus und schnappen uns die Disketten, hinter denen er her ist – Ende der Vorstellung. So retten Sie Ihre Familie.«
»Wenn es Ihre Familie wäre …«
Sie blickte auf die ausgetretene Kippe und seufzte.
»Ich versteh schon.«
»Mein einziges Verbindungsglied ist eine Stimme am Telefon, Martin. Ich habe keine Ahnung, wo die beiden gefangen gehalten werden und wer sie festhält. Benza hat Leute hier – der weiß, was wir machen. Selbst wenn er jetzt verhaftet wird – er kann vorher dafür gesorgt haben, dass Jane und Amanda spurlos verschwinden. Und was hab ich gegen ihn in der Hand? Drei Männer, die ich nicht erkannt habe. In Autos, die ich nicht ermitteln kann. Und dann noch Jones da drüben. Ob Benza vor Gericht kommt, ist mir vollkommen egal. Mir geht's nur um meine Familie!«
Martin sah zu den Transportern und seufzte erneut. Es wurde allmählich für alle eine lange Nacht.
»Mord werde ich hier nicht zulassen, Talley. Auf keinen Fall.«
»Ich doch auch nicht!«
»Und was wollen Sie jetzt machen?«
»Diese Disketten dürfen nicht beschlagnahmt werden. Sie sind mein einziges Druckmittel.«
»Was erwarten Sie von mir?«
»Helfen Sie mir. Behalten Sie unser Gespräch für sich, und helfen Sie mir, die Disketten zu bekommen. Jones darf nicht allein mit seinen Männern das Haus stürmen.«
Talley beobachtete sie und hoffte, sie wäre einverstanden. Er würde sie nicht davon abhalten können, diese Sache zu melden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen. Sie sah ihn an und nickte.
»Ich werde tun, was ich kann. Aber halten Sie mich auf dem Laufenden, Talley. Keine faulen Tricks! Und denken Sie daran: Ich trage die Verantwortung für Leben und Gesundheit meiner Leute.«
Talley fühlte sich besser. Seine Bürde wog nicht mehr ganz so schwer, weil Martin bereit war, ihm zu helfen.
»Ich brauche nur diese verdammten Disketten. Wenn ich die habe, kann ich verhandeln.«
Sie betrachtete ihn eingehend und steckte die Zigaretten wieder ein. Schon bevor sie antwortete, wusste Talley, was sie sagen würde.
»Sie brauchen mehr als die Disketten. Sie wissen zu viel über Benza. Der kann Sie nicht am Leben lassen. Das ist Ihnen doch klar, oder? Benza kann weder Sie noch Ihre Familie noch Smith am Leben lassen. Was werden Sie dagegen unternehmen?«
»Darum
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