Hostage - Entführt
betrachtete das Motel und kämpfte seine Panik nieder. Die Sekunden verrannen. Er verschwendete nur Zeit, und er brauchte einen Plan. Denk nach, sagte er sich. Und betete das SEK-Mantra runter: Panik tötet. Wenn Jane und Amanda anderswo gefangen gehalten wurden, musste er Howell zwingen, sie zurückzubringen.
Er sah Manelli wieder an.
»Wie viele Leute hat Howell?«
»Hier im Motel fünf. Und Clewes.«
»Mit dir und dem Kerl unterm LKW? Dann sind nur noch drei drin?«
»Stimmt – und Clewes. Der hat auch Leute, aber ich weiß nicht, wo sie sind. Sie können jeden Moment auftauchen.«
Talley kalkulierte die Sache durch. Drei im Zimmer. Drei gegen einen, und Verstärkung unterwegs. Aber egal – er hatte keine andere Wahl.
»Zimmernummer?«
Manelli zauderte.
Talley drückte ihm die 45er fester an die Kehle. Sein verdreckter Schweiß tropfte auf Manelli.
»Zimmernummer?!«
Manelli seufzte.
»124. Darf ich Sie was fragen, Talley?«
Der zögerte. Dafür hatte er keine Zeit.
»Was?«
»Sie sind kein einfacher Dorfbulle, oder?«
»Nein – allerdings nicht.«
Talley klebte Manelli den Mund mit Paketband zu, huschte über die Straße und suchte nach Zimmer 124. Am hinteren Ende des Motels entdeckte er den grünen Mustang. Er war vor der 123 abgestellt. Neben dem Auto stand ein Mann mit blauem Hemd und rauchte. Damit blieben nur noch zwei Männer im Zimmer. Talley sah, dass der Raucher am linken Arm eine silberne Uhr trug – das war nicht Glen Howell.
Talley schlich sich so nah wie möglich an den Mustang. Der Mann trat seine Zigarette aus und lehnte sich ans Auto. Er war gut zehn Meter entfernt. Zehn Meter, sagte sich Talley – das ist nicht besonders weit.
Die Zimmertür ging auf, und ein stark gebräunter Mann kam raus.
»Halt die Augen auf – er sollte schon da sein.«
Talley sah eine goldene Rolex am Handgelenk und erkannte die Stimme – Howell.
Er entsicherte seine Pistole und machte sich sprungbereit.
Der Mann am Mustang nörgelte.
»Das ist doch ein Bluff. Der Feigling kommt bestimmt nicht. Wir sollten abhauen, solange wir noch können.«
»Der wird kommen. Dem bleibt nichts anderes übrig.«
Howell ging ins Zimmer zurück und machte die Tür zu.
Der andere zündete sich eine neue Zigarette an. Als er sich abwandte, stürmte Talley los.
Der Mann fuhr bei dem Geräusch herum, doch es war zu spät: Talley schlug ihm wuchtig mit der 45er auf den Kopf. Der Mann taumelte zur Seite. Talley schlang ihm von hinten den Arm um den Hals, drückte ihm fast die Luft ab und stieß ihn vor sich her zur Zimmertür. Er wollte nicht, dass er bewusstlos wurde – er brauchte ihn als Schutzschild.
Talley machte jetzt Tempo. Er trat die Tür unter der Klinke ein, dass der Türpfosten splitterte, schubste den Mann über die Schwelle und brüllte:
»Polizei! Sie sind verhaftet!«
Talley nahm an, sie würden erst auf ihn schießen, wenn sie die Disketten hätten. Darauf setzte er.
Glen Howell ging in die Hocke, zog dabei eine Pistole und rief einem Mann mit großem Kopf etwas zu, der beim Fenster saß. Der rollte sich von seinem Stuhl und zog dabei eine Waffe, die er im Knien mit beiden Händen auf Talley richtete, als Howell schrie:
»Nicht schießen! Schieß nicht auf ihn!«
Talley richtete seinen Colt mal auf Howell, mal auf den anderen und machte sich hinter seiner Manndeckung so klein wie möglich. Von draußen flatterten lichthungrige Insekten rein.
»Wo ist meine Familie?«
Sie schnappten nach Luft wie Perlentaucher. Keiner schoss, aber allen war klar: Wenn einer abdrückte, würden auch die anderen feuern. Beide Seiten besaßen etwas, das die andere haben wollte. Talley wusste das. Und er wusste, dass Howell es wusste. Nur das hielt sie zurück.
Howell nahm unvermittelt die Hand vom Griff seiner Waffe und ließ die Pistole am Zeigefinger pendeln.
»Immer mit der Ruhe. Nur die Ruhe. Wir sind hier, um ein Geschäft zu machen.«
»Wo sind sie?!«
»Haben Sie die Disketten?«
Talley zielte auf den Mann mit dem großen Kopf. Er hatte das Gefühl, wieder in der Tür des Kindergartens zu stehen.
»Sie wissen genau, dass ich sie habe! Wo ist meine Familie?«
Howell erhob sich langsam und mit ausgestreckten Händen. Die Pistole baumelte noch immer an seinem Finger.
»Schön ruhig bleiben. Ihrer Familie geht's gut. Darf ich mein Handy aus der Tasche nehmen?«
»Meine Familie hätte hier sein sollen.«
»Lassen Sie mich telefonieren. Dann können Sie mit ihnen sprechen und feststellen,
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