Hostage - Entführt
wurde Dennis allmählich sauer. Das hier war das Ereignis, das sein Leben von Grund auf ändern würde. Das Ereignis, von dem er immer gewusst hatte, dass es auf ihn wartete. Das Haus, das Geld – das war sein Schicksal, seine Bestimmung, die Triebfeder, die ihn all die Jahre angespornt hatte. Die ihn veranlasst hatte, Risiken einzugehen. Die ihn zu unerhörten Großtaten bewogen und zum Star seines eigenen Films gemacht hatte. Von Anfang an hatte ihn diese Triebfeder vorwärts stürmen lassen, immer weiter, bis zu diesem Ort und diesem Moment. Und jetzt verdarb Mars ihm die Laune. Dennis schob sich ein Bündel Banknoten in die Tasche und stand auf.
»Hör mal – wir nehmen alles mit. Wir packen's irgendwie ein. Die müssen hier doch Koffer haben. Oder Plastiktüten.«
»Mit einem Koffer kann man nicht weglaufen.«
»Uns fällt schon was ein.«
»Viel Spaß dabei.«
Jetzt wurde Dennis richtig wütend. Er verpasste Mars mit der flachen Hand einen Schlag gegen die Brust. Das fühlte sich an, als hätte er gegen eine Wand gehauen, aber Mars schaute ihn immerhin an. Dennis hatte längst kapiert, dass er bei allem mitmachte, wenn man ihn sich nur kräftig vornahm.
»Das schleppen wir mit – und wenn wir's uns in den Hintern schieben! Wir verschwinden hier nicht ohne das Geld.«
Mars nickte und gab klein bei – genau wie Dennis vorhergesehen hatte.
»Schön, dass du das Geld gefunden hast, Dennis. Du kannst meinen Anteil haben.«
Dieser Mars deprimierte ihn. Dennis befahl ihm, wieder ins Arbeitszimmer zu gehen, damit Kevin keinen Mist baute. Als Mars verschwand, war Dennis erleichtert. Dieser Kerl ist schon verdammt seltsam und wird immer seltsamer, dachte er. Aber wenn er nichts von dem Geld will, behalte ich eben alles für mich.
Dennis durchsuchte die Wandschränke im Schlafzimmer, bis er einen Koffer, einen schwarzen Trolley, gefunden hatte. Er packte ihn mit gebündelten Hundertern voll. Die Scheine waren alle gebraucht – kein einziger frischer dabei. Als der Koffer voll war, zog Dennis ihn ins Schlafzimmer und legte ihn aufs Bett. Mars hatte Recht: Er hatte keine Ahnung, wie er mit diesem Ungetüm am Bein hier rauskommen sollte. Er konnte sich damit nicht durchs Fenster stehlen und durch die Gärten fliehen, aber sie hatten ja zwei Autos und drei Geiseln. Dennis wollte nicht glauben, dass er seine große Chance, der er nun so nah gekommen war, wieder sausen lassen musste.
Er ging ins Arbeitszimmer zurück. Mars sah fern und drehte den Ton lauter.
»Jeder Sender berichtet über die Sache. Du bist ein Star.«
Dennis sah sich auf der Mattscheibe – ein altes Haftfoto von ihm war in die rechte obere Ecke des Bildschirms gerückt. Er sah darauf aus wie Charles Manson.
Dann folgte eine Luftaufnahme des Hauses, in dem sie festsaßen, Streifenwagen auf der Straße und zwei Polizisten, die hinter den Vorderrädern kauerten. Eine aufgedonnerte Nachrichtentussi sagte, Dennis sei kürzlich aus der Ant Farm entlassen worden. Er merkte, dass er schon wieder grinste. Ein leichtes Kribbeln fuhr ihm durch die Adern, dieses Kribbeln, das er auch hatte, wenn er mit einem gestohlenen Auto ungeschoren davonkam – Zorn und Wut lagen darin, Stress und das coole Gefühl, ein Sieger zu sein: Hier sitz ich mit einer Million zum Mitnehmen. Und ich bin im Fernsehen! Eltern, Lehrer, Bullen, ihr ganzen Drecksäcke – leckt mich kreuzweise! Ihr habt mich lange genug fertig gemacht. Aber jetzt bin ich oben. Jetzt spür ich mich endlich. Und das ist schärfer als Sex.
»Geil, geil, geil!«
Er ging zur Tür.
»Kevin – sieh dir das an!«
Das Telefon klingelte und dämpfte seinen Höhenflug. Das war bestimmt Talley. Dennis kümmerte sich nicht darum und kehrte zum Fernseher zurück. Die Hubschrauber, die Bullen, die Reporter – alle waren wegen ihm hier. Das war die Dennis Rooney Show, und er hatte gerade herausgefunden, wie die Sache ausging: Sie würden mit den Kindern als Geiseln in dem motzigen Jaguar zur Grenze düsen, und die ganze Fahrt würde von den Hubschraubern live im Fernsehen übertragen.
Dennis schlug Mars auf den Arm.
»Ich hab's, Mann – wir nehmen den Jaguar. Wir schnappen das Geld und die Kinder und lassen den Alten hier. Die Bullen werden uns wegen der Geiseln in Ruhe lassen, und wir heizen einfach durch bis Tijuana.«
Mars zuckte gelangweilt die Achseln und sagte im Flüsterton: »Daraus wird nichts, Dennis.«
Der wurde wieder ärgerlich.
»Warum nicht?«
»Die schießen uns die
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