Hostage - Entführt
Ehekrach zu schlichten. Von wegen! Nach drei öden Jahren bei der Polizei würde er jetzt vielleicht endlich einem echten Verbrecher gegenüberstehen. Er sah die Straße rauf und runter und fragte sich, warum die drei den Wagen stehen gelassen hatten und wohin sie verschwunden waren. Plötzlich bekam er Angst. Er musterte die Hecke und bückte sich, um unter den niedrigen Ästen durchzuschauen, sah aber nur eine Mauer. Er zog seinen Revolver und näherte sich der Hecke, um sie sich genauer anzusehen. Einige Äste waren abgeknickt. Er blickte zum Pick-up zurück, kombinierte messerscharf und stellte sich vor, wie sich die drei Verdächtigen durch die Hecke schlugen. Drei Jungs auf der Flucht. Vor Angst die Hosen voll. Und hopp – über die Mauer. Dahinter standen lauter teure Häuser: York Estates. Von seinen Streifenfahrten wusste Welch, dass nur zwei Straßen aus dem Viertel rausführten. Oder sie kletterten wieder über die Mauer. Wahrscheinlich versteckten sie sich bei irgendwem in der Garage. Oder sie rannten wie wild quer durch die Siedlung, um zu entkommen.
Welch hörte noch ein paar Sekunden zu, wie der Motor des Pick-ups mit knackenden Geräuschen abkühlte, und kam zu der Einschätzung, dass er den dreien dicht auf den Fersen war. Sein Puls beschleunigte sich. Er traf seine Entscheidung, startete mit quietschenden Reifen und raste los, um den Männern den Fluchtweg aus der Siedlung abzuschneiden und sie zu verhaften.
Dennis
Mit dem Sprung von der Mauer landete Dennis in einer anderen Welt, die hinter üppigen Farnen, Rhododendren und Orangenbäumen verborgen war. Er brannte darauf weiterzurennen, durch den Garten zu spurten, über die nächste Mauer zu setzen und sich aus dem Staub zu machen, aber das Martinshorn war ganz in der Nähe. Dann wurde es still.
»Bitte, Dennis – die Polizei wird den Wagen entdecken. Die wissen bald, wer wir sind«, sagte Kevin.
»Schnauze. Das weiß ich. Ich muss nachdenken.«
Sie standen im dicht bepflanzten Teil des Gartens und blickten auf die Rückseite einer Luxusvilla. Gleich vor ihnen begann der Swimmingpool und zog sich bis zur Terrasse des zweistöckigen Bonzenhauses hin, das jede Menge Fenster und Türen hatte. Und eine der Türen stand offen. Einfach so. Offen. Wenn jemand zu Hause war, war auch ein Auto in der Garage. Aus dem Ghettoblaster am Beckenrand kam Musik. Also musste jemand zu Hause sein.
Dennis sah zu Mars rüber, und der nickte, ohne ihn auch nur anzublicken. Als hätte er schon wieder Dennis' Gedanken gelesen.
Jennifer Smith
Zwanzig Meter weiter hantierte Jennifer Smith in der Küche und war extrem genervt. Ihr Vater arbeitete hinter verschlossenen Türen in seinem Büro, das nach vorne raus lag. Er war Steuerberater und erledigte viel zu Hause. Ihre Mutter war in Florida zu Besuch bei Tante Kate. Also hatte sich Jennifer rund um die Uhr um ihren zehnjährigen Bruder Thomas zu kümmern. Wenn ihre Freunde ins Kino gehen wollten, musste Jennifer Thomas mitschleppen. Wenn sie ihrem Vater erzählen würde, sie führe nur rüber nach Palmdale, und sich dann für ein paar Stunden ins Multiplex nach Los Angeles absetzte, würde Thomas sie gleich verpetzen. Jennifer Smith war sechzehn. Einen Giftzwerg wie Thomas den ganzen Tag am Hals zu haben verdarb ihr den Sommer.
Jennifer hatte sich am Pool gesonnt und war dann ins Haus gegangen, um ein paar Thunfischbrote zu schmieren. Den Giftzwerg hätte sie lieber hungern lassen, aber ihrem Vater machte sie ganz gern was zu essen.
»Thomas?«
Er wollte auf keinen Fall Tommy genannt werden. Nicht mal Tom. Sondern unbedingt Thomas.
»Thomas – sag Daddy, das Essen ist fertig.«
»Leck mich.«
Thomas spielte im Wohnzimmer mit seinem Gameboy.
»Los, sag Daddy Bescheid.«
»Ruf doch einfach. Der hört dich schon.«
»Jetzt hol ihn, oder ich spuck dir ins Essen.«
»Spuck zweimal. Das macht mich an.«
»Du Ekelpaket.«
Thomas hörte auf zu spielen und sah sie an. »Ich hol ihn, wenn du Elyse und Tris zum Sonnenbaden einlädst.«
Das waren Jennifers beste Freundinnen. Sie kamen nicht mehr her, weil Thomas ihnen restlos auf die Nerven ging. Er wartete immer ab, bis die drei sich am Pool hingelegt hatten, kam dann aus dem Haus und bot ihnen an, sie mit Sonnenöl einzureiben. Dass alle drei »Igitt, hau ab« sagten, half gar nichts – er setzte sich einfach in die Nähe und glotzte ihnen den Bikini weg.
»Die bräunen sich hier nicht, solange du da bist. Die wissen, dass du ein Spanner bist.«
»Die
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