Hot Summer
Toilettenräume schienen darauf nichts zu geben. Männer und Frauen standen gemeinsam an den Waschbecken und benutzten die Kabinen. Als ich mich nach unten beugte und ausspähte, welche Kabine frei war, sah ich mehr als einmal zwei Paar Füße. Und manchmal sogar mehr als zwei.
„Ach, hallo! Miss Tweedle!“, erklang die affektiert gedehnte Stimme der Dragqueen von einem Sofa neben der Tür. Das Sofa hatte einen Bezug mit Leopardenprint. „So trifft man sich wieder.“
Ich warf ihr ein Lächeln zu. „Sie genehmigen dir eine Auszeit von der Arbeit im Vorraum?“
„Hör mal, Süße“, sagte sie. „Ein Mädchen muss die Toilette auch mal hin und wieder benutzen. Wenn du verstehst, was ich meine.“
Ich wollte sie nicht darauf hinweisen, dass sie nicht wirklich ein Mädchen war. „Ja.“
„Macht mal hin da drin, ihr Schlampen“, brüllte sie und streckte eine Hand aus, um gegen die nächstgelegene Kabine zu hämmern. „Jemand hier draußen muss tatsächlich mal pinkeln!“
Lachen aus der Kabine antwortete. Dann öffnete sich die Tür und zwei schlaksige, junge Männer stolperten heraus. Die Dragqueen schnaubte und verdrehte die Augen. Die beiden Jungs zeigten ihr den Stinkefinger.
„Die Kabine gehört dir, Süße“, meinte sie. „Ich kann mich solange zurückhalten.“
Sie brach in stürmisches Gackern aus, das sich anhörte, als hätte sie einen schweren Husten. „Und wenn ich sage, dass ich mich zurückhalten kann, dann meine ich das auch, Süße.“
Lachend betrat ich die Kabine und stellte erleichtert fest, dass das Schloss funktionierte. Und was auch immer hier stattgefunden hatte, bevor ich die Kabine betrat, man sah es nicht. Die Toilette war angemessen sauber. Ich hockte mich auf die Klobrille und pinkelte rasch. Zum Glück trug ich einen Rock, den ich hochhalten konnte. Eine Hose hätte vielleicht Berührung mit dem Boden riskiert, der nicht gerade sauber aussah. Ich brauchte nur eine Minute, aber als ich aus der Kabine kam, war die Damentoilette gerammelt voll.
Ich wartete, bis ich einen Platz am Waschbecken ergatterte. Zwei Frauen vor mir unterhielten sich lautstark über Umschnalldildos. Die drei Typen hinter mir tratschten über jemanden, den sie Candy nannten, der anscheinend den Unterschied zwischen Veganern und Vegetariern nicht kannte. Aber das war ohnehin egal, denn: „Wir wissen doch alle, dass die Schlampe Fleisch frisst!“ Ein heterosexuelles Pärchen hatte es sich auf dem Leopardensofa gemütlich gemacht. Und wenn es nicht tatsächlich direkt hier vögeln wollte, dann sah es zumindest so aus.
Als ich schließlich am Waschbecken stand, fühlte ich mich ein bisschen wie Alice, als sie in das Kaninchenloch fiel. Ich wusch meine Hände und trocknete sie, ehe ich einer Gruppe folgte, die nach den Vergnügungen im Waschraum wieder tanzen und trinken wollte. Und vermutlich wollten sie sich in den dunklen Ecken des Clubs begrapschen.
An der Bar bezahlte ich mein Wasser und trank die halbe Flasche leer, bevor ich mich auf die Suche nach dem Platz machte, wo ich Alex und James zurückgelassen hatte. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich sie fand, denn inzwischen hatte sich die Menge der Besucher erneut verändert und ich hatte keinen freien Blick. Zweimal sah ich über sie hinweg, ehe mir klar wurde, dass sie es waren. Ich hatte nach zwei Männern im weißen T-Shirt gesucht. Von meinem Aussichtspunkt konnte ich nur einen sehen.
Alex stand vor James, der sich gegen die Wand lehnte. Alex hatte eine Hand mit gespreizten Fingern neben James’ Kopf an der Wand abgestützt. Seine andere Hand hielt den Drink. Ich war nah genug, um das rote Glitzern in seinem Glas zu sehen. Während ich sie beobachtete, lehnte er sich vor und sagte etwas in James’ Ohr. Dieser legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Zwei Männer, die ihre Hand in die Gesäßtasche des anderen gesteckt hatten, schoben sich an mir vorbei. Erneut lachte James. Seine Augen funkelten. Ich hatte ihn schon mal so gesehen, den Mund leicht geöffnet, die Augen halb geschlossen. Er hatte mich genauso angesehen, als wir das erste Mal ins Bett gingen. Alex drehte seinen Kopf, sodass ich ihn im Profil sehen konnte. Er trank. Ich konnte sehen, wie er schluckte. Dann nahm er die Hand herunter und wandte sich wieder an James. Jetzt konnte ich die Gesichter der beiden nicht mehr sehen.
Ich fröstelte. Die Wasserflasche in meiner Hand war vergessen, als mich plötzlich jemand schubste und ich das kalte Wasser auf meiner Hand
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