Hotel der Sehnsucht
herunter und küsste sie auf den Mund.
„Anders als du bin ich nicht imstande, meine Gefühle länger zu verleugnen. Du solltest dich also an den Gedanken gewöhnen, dass du meine Frau bist. Und um nicht Gefahr zu laufen, dich anders als durch einen harmlosen Kuss daran zu erinnern, was das bedeutet, werde ich jetzt verschwinden."
Noch während er das sagte, wandte er sich um und verließ den Balkon, ohne Samantha eines weiteren Blickes zu würdigen. Erst als sie wenig später hörte, wie die Eingangstür der Suite ins Schloss fiel, bemerkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte, weshalb sie beschloss, Andres Rat zu befolgen und sich ein wenig auszuruhen.
Doch schon beim ersten Schritt stöhnte sie laut auf, weil sie über den verdammten Stock gestolpert war. Während sie sich das schmerzende Knie rieb, schimpfte sie vor sich hin und verfluchte insgeheim ihr Schicksal - vor allem aber, dass sie einem gewissen Andre Visconte je begegnet war.
„Habe ich mich denn nicht deutlich genug ausgedrückt?"
Andre stand im Büro des Hoteldirektors und brüllte Anweisungen in den Telefonhörer.
Sein Besuch bei der Verkehrspolizei hatte länger gedauert als vorgesehen, und was er dort in Erfahrung gebracht hatte, bewegte ihn weitaus mehr, als er sich zuvor ausgemalt hatte. Von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen geplagt, hatte er sich auf den Rückweg gemacht, und sich Nathans Widerworte anzuhören war so ziemlich das Letzte, wonach ihm der Sinn stand.
„Oder teilst du Samanthas Einschätzung des Tremount nicht?"
„Doch", antwortete Nathan, „aber ..."
„Na also", fiel Andre ihm ins Wort. „Dann kümmere dich endlich darum, dass der Kaufvertrag unter Dach und Fach kommt."
„Und es soll wirklich für Samantha ...?"
„Das habe ich dir doch alles schon erklärt!" Erneut ließ er Nathan nicht ausreden. Es dauerte ihm auch so schon alles viel zu lang. „Und vergiss nicht, was ich dir über diese Carla gesagt habe. Sie darf auf keinen Fall entlassen werden."
Samantha machte sich große Sorgen um ihre Freundin und Kollegin, und jetzt, da er die Polizeiakten kannte, schien es Andre wichtiger denn je, alles zu vermeiden, was sie beunruhigen konnte.
Ohne sich von Nathan zu verabschieden, knallte er den Hörer auf die Gabel und lehnte sich erschöpft gegen den Schreibtisch.
Deutlicher, als Worte es gekonnt hätten, hatten ihm die Fotos von dem ausgebrannten Wrack, das zuvor ihr Auto gewesen war, vor Augen geführt, was Samantha durchgemacht hatte.
Doch mehr noch als der Gedanke an den Unfall selbst quälte Andre die Vorstellung, wie es für sie gewesen sein mochte, im Krankenhaus aufzuwachen, ohne zu wissen, wer sie war und wo sie sich befand, während ihn seine aussichtslose Suche zwar um die halbe Welt, aber nicht nach Exeter geführt hatte.
Andre gab sich einen Ruck und verließ das Büro. Er hatte Samantha lange genug warten lassen, und eine Entschuldigung für sein Verhalten war das Mindeste, was er ihr schuldete.
Allzu lange sollte er das nicht vor sich herschieben, sonst machte sie am Ende noch ihre Drohung wahr und verschwand ein zweites Mal spurlos aus seinem Leben ...
Bleich vor Schreck, drückte er auf den Knopf für den Fahrstuhl, der ihn, wie ihm schien, im Schneckentempo in die oberste Etage brachte. Als er endlich vor der Suite stand, hielt er einen Moment lang inne, bevor er es wagte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken und die Tür zu öffnen.
6. KAPITEL
Die Stille, die ihn empfing, verhieß nichts Gutes. Schon glaubte Andre sich in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt, als er Samantha entdeckte, die es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte und tief und fest schlief.
Erleichtert ging er in die Hocke, um in Ruhe ihr Gesicht zu betrachten. Doch selbst im Schlaf schien Samantha vor seiner Nähe zurückzuscheuen, denn unvermittelt schlug sie die Augen auf und sah ihn entgeistert an.
„Hallo, Samantha", begrüßte er sie freundlich. Doch zu seiner Überraschung blieb das Donnerwetter aus, mit dem er gerechnet hatte. Samantha zog es vor, ihn einfach anzusehen und gar nichts zu sagen.
Sie schien tatsächlich auf eine Entschuldigung für sein Verhalten zu warten, und auch wenn ihn die Art, in der sie ihm das zu verstehen gab, ziemlich irritierte, war Andre dazu bereit. „Es tut mir Leid, wenn mir die Dinge vorhin etwas aus dem Ruder gelaufen sind.
Mir fällt es nicht leichter als dir, mit der Situation umzugehen."
„Schon gut", beschwichtigte Samantha ihn und setzte sich auf.
Um
Weitere Kostenlose Bücher