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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Reid
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sich, kaum war die Entschuldigung ausgesprochen, nicht unglaubwürdig zu machen, richtete sich Andre auf und trat einige Schritte zurück. Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie Samantha sich vorbeugte und das verletzte Knie rieb.
    „Wie geht's deinem Bein?" erkundigte er sich.
    „Viel besser." Samantha übertrieb bewusst ein wenig. „Der Mittagsschlaf hat gut getan -
    selbst wenn er wohl ein bisschen lang ausgefallen ist. Wie spät ist es eigentlich?"
    Andre blickte auf die Uhr. „Gleich halb sechs", antwortete er und beobachtete überrascht, wie leicht es Samantha fiel, aufzustehen. Sie bewegte sich schon fast wieder so, wie er es von der Samantha gewohnt war, die er von früher kannte.
    Doch nach allem, was er heute in Erfahrung gebracht hatte, musste er sich damit
    abfinden, dass ihm eine andere Frau gegenüberstand.
    „Und wie war deine Besprechung?" erkundigte sich Samantha interessiert.
    „Ganz gut", erwiderte Andre und wandte sich ab. Sie sollte nicht sehen, wie traurig ihn der Gedanke gemacht hatte.
    Was mag in ihm nur vorgehen? fragte Samantha sich besorgt, als Andre ihr völlig
    unerwartet den Rücken zudrehte. Immerhin schien er nicht mehr wütend auf sie zu sein.
    Dafür war ihm deutlich anzusehen, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte. Offensichtlich beschäftigte ihn etwas so sehr, dass er sich selbst keinen Rat wusste.
    „Stimmt was nicht?" erkundigte sie sich behutsam, um nicht den Eindruck zu erwecken, auf ihre Auseinandersetzung auf dem Balkon anspielen zu wollen.
    Andres Lachen klang seltsam gequält. „Ganz im Gegenteil", antwortete er schließlich, bevor er sich wieder zu Samantha umdrehte. „Ich muss gestehen, dass ich eigentlich nicht damit gerechnet hatte, dich bei meiner Rückkehr hier anzutreffen. Deine Drohung war ja deutlich genug."
    Seine Miene ließ kein eindeutiges Urteil zu, doch sollte er vorgehabt haben, Samantha damit zum Lachen zu bringen, so war ihm das eindrucksvoll missglückt. Erreicht hatte er das genaue Gegenteil.
    „Und wohin hätte ich deiner Meinung nach gehen sollen?" fragte sie wütend, um die Antwort gar nicht erst abzuwarten. „Wenn du glaubst, es macht mir Spaß, mich an nichts erinnern zu können, irrst du gewaltig. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als endlich die Wahrheit über mich zu erfahren. Und da du der einzige Mensch bist, der mir dabei helfen kann, wäre es ziemlich töricht von mir, vor dir wegzulaufen - selbst wenn mir mitunter danach zu Mute ist", setzte sie bitter hinzu.
    Das verspätete Donnerwetter hatte seine Wirkung nicht verfehlt. „Mit keiner Silbe wollte ich behaupten, dass du dir des Ernstes der Situation nicht bewusst bist", entschuldigte Andre sich glaubhaft. „Und dass dich die Ungewissheit bedrückt, kann ich mir lebhaft vorstellen."
    „Wenn das so ist, kann ich jetzt ja unter die Dusche gehen", sagte Samantha barsch und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Dabei achtete sie darauf, dass ihr die Schmerzen nicht anzumerken waren, die sie allen Medikamenten zum Trotz hatte. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war Andres Mitleidsbezeugung.
    „Essen wir wenigstens gemeinsam zu Abend?" rief er ihr hinterher. „Wie wär's so gegen sieben?"
    Zum Zeichen des Einverständnisses nickte Samantha nur. Noch hielt sie es zwar für ausgeschlossen, dass sie auch nur einen Bissen herunterbekommen würde, aber ihr stand nicht der Sinn danach, sich auf eine Diskussion mit Andre einzulassen.
    „Also um sieben." Andre machte aus seiner Freude keinen Hehl. „Ich werde im
    Restaurant Bescheid geben, dass sie uns einen Tisch reservieren sollen. Oder ist es dir lieber, wenn wir hier oben essen?"
    „Nein, nein." Samanthas Einspruch geriet fast ein wenig zu heftig. Doch der Gedanke, den ganzen Abend allein mit Andre zu verbringen, war ihr nicht ganz geheuer. „Lass uns ruhig ins Restaurant gehen."
    Zumal sie ihn nicht blamieren würde. Denn anders als Andre anzunehmen schien, fand sich in ihrem Gepäck durchaus ein Kleid, mit dem sie sich in der Öffentlichkeit sehen lassen konnte. Dass er ihre Kleidung als Lumpen bezeichnete, sollte ihr nicht noch einmal passieren. Außerdem war sie entschlossen, ab sofort ohne den verdammten Stock
    auszukommen.
    „Dann bis später", rief Andre Samantha hinterher und sah ihr nach, wie sie in ihrem Zimmer verschwand. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, merkte er, wie sehr es ihn angestrengt hatte, den Waffenstillstand einzuhalten, auf den sie sich unausgesprochen geeinigt

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