Hotel der Sehnsucht
herübergeflogen, und der Jetlag steckte ihm noch in den Knochen.
Einige Stunden Schlaf würden sicherlich gut tun, und wenn Samantha erst wieder zu Kräften gekommen war, würde sie vielleicht auch endlich einsehen, dass es an der Zeit war, das Misstrauen ihm gegenüber abzulegen.
Nicht, dass er sich allzu große Hoffnungen machte. Dafür wusste er viel zu gut, dass es ihre Sturheit mit ihrer Hitzköpfigkeit unbedingt aufnehmen konnte. Es würde ein harter Kampf werden, bis er sie überzeugt hätte.
Doch Andre war bereit, den Kampf zu führen - und entschlossen, ihn zu gewinnen. Denn für einen Rückzieher war es längst zu spät. Je eher Samantha das einsehen würde, umso besser wäre es. Und zwar für beide.
7. KAPITEL
Als Samantha am nächsten Morgen zum Frühstück erschien, fiel Andre als Erstes auf, dass sie ein ziemlich braves Kostüm trug. Das Haar hatte sie wieder hochgesteckt, und auch sonst schien sie bestrebt, sich ihm gegenüber möglichst reserviert zu verhalten.
„Von mir aus können wir nachher zum Arzt gehen", teilte sie ihm ihre Entscheidung mit, nachdem sie Platz genommen hatte, um sich ohne ein weiteres Wort ihrem Frühstück zu widmen.
Währenddessen vermied sie es tunlichst, mit Andre ein Gespräch zu beginnen oder ihn auch nur anzusehen. Dafür war sie immer noch viel zu wütend darauf, mit welcher
Selbstverständlichkeit er sich in ihr Leben einmischte.
Zumal er wenig tat, um ihre Wut zu besänftigen. Im Gegenteil. Denn als sie wenige Stunden später aus dem Behandlungszimmer des Arztes trat, saß Andre lässig auf der
Schreibtischkante und flirtete ziemlich ungeniert mit einer gut aussehenden Sprechstundenhilfe. Wie die schmachtenden Blicke, die sie ihm zuwarf, bewiesen, blieb sein Charme nicht wirkungslos - was Andre durchaus zu genießen schien.
„Lass dich nicht stören", sagte Samantha so gehässig, wie es ihr möglich war, und ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, nahm sie all ihren Stolz zusammen und humpelte auf den Ausgang zu.
Andre sprang augenblicklich auf und folgte ihr. „Das musst du gerade sagen", raunte er, als er neben ihr stand, und die Warnung ließ Samantha vor Schreck erstarren. Es war nicht das erste Mal, dass Andre sie so zur Räson rief - nur konnte sie sich beim besten Willen nicht erinnern, wann und wo es schon einmal dazu gekommen war.
Ihr plötzlicher Stimmungswechsel war Andre nicht verborgen geblieben. „Du bist
verdächtig blass", äußerte er besorgt und legte sicherheitshalber den Arm um Samantha.
Selbst die Sprechstundenhilfe schien bemerkt zu haben, dass es Samantha nicht gut ging.
„Fühlt sich Ihre Frau nicht wohl, Mr. Visconte?" erkundigte sie sich. „Soll ich vielleicht...?"
„Bring mich bitte an die frische Luft", unterbrach Samantha sie.
Andre murmelte ein kaum verständliches „Auf Wiedersehen" und führte Samantha behutsam aus der Praxis. Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, atmete Samantha tief durch, um ihr Schwindelgefühl zu bekämpfen.
„Willst du mir nicht sagen, was dir fehlt?" fragte Andre vorsichtig, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.
Nein, dachte Samantha und machte sich von ihm los. Sie wollte es ihm nicht sagen. „Die Luft da drin war so schlecht."
„Du brauchst gar nicht zu versuchen, mir etwas vorzumachen."
„Soll das ein Verhör werden?" Die Tatsache, dass Andre sie durchschaut hatte, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. „Wie wär's, wenn du zur Abwechslung einfach mal glaubst, was ich sage?" verbat sie sich energisch weitere Nachfragen.
„Wie du meinst." Andre sah ein, dass es wenig Sinn machte, auf seinem Standpunkt zu beharren. Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich aber doch nicht verkneifen. „Wenigstens scheint es dir wieder besser zu gehen. Sonst könntest du mich kaum so anfauchen."
„Scher dich doch zum Teufel!" kommentierte Samantha erbost und machte sich
humpelnd auf den Weg zum Parkplatz, auf dem sie das Auto abgestellt hatten.
Andre folgte ihr zwar, hielt es aber für angebracht, einen gewissen Sicherheitsabstand einzuhalten, um vor einem möglichen Wutanfall geschützt, im Falle eines Schwächeanfalls aber doch zur Stelle zu sein.
Am Wagen angekommen, half er ihr beim Einsteigen, setzte sich hinters Steuer und
startete den Motor. Doch anstatt loszufahren, beobachtete er Samantha, die stocksteif auf dem Beifahrersitz saß und stur geradeaus sah.
„Was hat der Arzt denn gesagt?"
Nun drohte es also doch noch das erwartete Verhör zu werden.
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