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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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heutzutage noch Ernestine?«
    »Dein Vater hatte sich einen Jungen gewünscht.«
    »Den hat er ja auch gekriegt, leider erst zehn Jahre nach mir. Wahrscheinlich muß Karsten nur deshalb nicht als Ernst II herumlaufen.«
    Frau Antonie hatte also mit Frau Reutter, Frau Helmers und Frau von Rothenburg, allesamt gutsituierte Witwen zwischen siebzig und open end, die Donaudampfschiffsreise unternommen, hatte in Wien noch drei Kleider gekauft, weil die sechs mitgenommenen dann doch nicht ausgereicht hatten, hatte sich von einem pensionierten Finanzdirektor, der bedauerlicherweise in Budapest aussteigen mußte, den Hof machen lassen – in allen Ehren natürlich! –, und hatte schließlich im Lesezimmer Frau Klaasen-Knittelbeek kennengelernt. Diese Dame war ihr schon mehrmals aufgefallen, weil sie sich vor dem Abendessen jedesmal vom Oberkellner bezüglich des Dinners und dann vom Sommelier beraten ließ, welcher Wein denn wohl am besten zu dem Menü passen würde.
    Die beiden Damen waren ins Gespräch gekommen und hatten sich über Reiseziele unterhalten, denn Frau Klaasen-Knittelbeek kannte ganz Europa und war sogar schon am Nordkap gewesen, zeigte sich aber doch beeindruckt, als Frau Antonie scheinbar beiläufig ihren Aufenthalt in Kenia erwähnte und von der Safari schwärmte. Dabei hatte sie die überhaupt nicht mitgemacht, weil sie ihr zu anstrengend erschienen war. Aber Tinchen und Florian hatten ja viel erzählt, und die beiden Enkelkinder hatten genug fotografiert, so daß sich ihre Großmutter zumindest theoretisch recht gut auskannte. Und in Afrika war sie ja nun wirklich gewesen! Acht Jahre war es schon her, daß ihr der Ernst zu Weihnachten die Reise geschenkt hatte. Gar nicht mitgewollt hatte sie, hatte Angst vorm Fliegen gehabt und vor den Schwarzen, und dann war es doch ein so schöner Urlaub geworden; übrigens der letzte gemeinsame mit der Familie, denn gleich nach Tobias' Abitur hatte es diesen Riesenkrach gegeben, weil der Junge nicht studieren wollte, obwohl sein Vater ihm trotz des miserablen Abgangszeugnisses schon einen Studienplatz verschafft hatte. Wenn man es zum stellvertretenden Chefredakteur des ZEITSPIEGEL gebracht hat, kennt man natürlich auch genügend Leute, die einem weiterhelfen können. Journalistik sollte der Junge studieren, vielleicht auch noch Literatur oder Theaterwissenschaften, kompetente Kultur-Redakteure wurden immer gesucht, vom Fernsehen gar nicht zu reden, seinen Doktor sollte er machen, so ein Titel war überall nützlich, und für einen passenden Job bei einer renommierten Zeitung hätte Florian schon gesorgt.
    Und was hatte dieser undankbare Knabe getan? Ins Gesicht gelacht hatte er seinem Vater und ihm rundheraus erklärt, er dächte nicht daran, das Heer arbeitsloser Akademiker noch zu vergrößern, und von den Print-Medien halte er schon überhaupt nichts. »Bald liest doch sowieso niemand mehr Zeitung. Warum auch? Im Fernsehen kriegt er alles mundgerecht vorgekaut und mit bunten Bildchen garniert, er braucht nicht mehr zu denken, und der Natur ist auch geholfen. Oder weißt du etwa nicht, wie viele Bäume gefällt werden müssen, damit eine einzige Ausgabe vom ZEITSPIEGEL gedruckt werden kann?«
    Florian hatte zugegeben, das nicht zu wissen, worauf ihn sein Sohn nur verachtungsvoll angesehen und gemurmelt hatte: »Wenigstens kannste damit immer noch das Katzenklo auslegen!«
    Das hatte Florian am meisten getroffen! Das TAGEBLATT, bei dem er vor fast dreißig Jahren seine journalistische Laufbahn begonnen hatte, war eine regionale Tageszeitung gewesen, die im redaktionellen Teil Geburtstagsgrüße veröffentlicht hatte und sogar Kuchenrezepte. Der Redaktionsstab war überschaubar gewesen, die Atmosphäre beinahe familiär, Berichte von auswärtigen Mitarbeitern wurden am Telefon durchgegeben, was besonders bei dialektgefärbten Telefonaten des öfteren zu heiterkeitserregenden Hör(und Druck!-) Fehlern geführt hatte. Es hatte noch Setzmaschinen gegeben und Fahnenabzüge, und oft hatte das Geklapper des alten Fernschreibers allen Anwesenden den letzten Nerv geraubt. Manchmal vermißte Florian die Jahre, als Zeitungen noch ›mit der Hand‹ gemacht wurden und nicht am Computer. Heutzutage wurde gefaxt, die Setzmaschinen standen im Museum für vaterländische Altertümer, jeder Mitarbeiter hockte eingeigelt vor seinem Bildschirm und – das Ende allen kreativen Journalismus – Rauchen war neuerdings verboten! Jedenfalls offiziell. Dafür gab es aber auch kein

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