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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Klaasen-Knittelbeek damals noch nicht gegeben, denn sie hätte zweifellos innerhalb kurzer Zeit die von Frau Antonie so mühsam vertuschten kleinen Ungereimtheiten ans Licht gebracht. Inzwischen wußte sie zwar alles, fühlte sich jedoch schon der Familie zugehörig und hielt den Mund.
    Frau Klaasen-Knittelbeek, die auf den ihrer Ansicht nach nichtssagenden Namen Herta getauft worden war und deshalb den Zweitnamen Dorothee bevorzugte, entstammte einer alten Hamburger Reederfamilie. Als sie kurz nach dem Krieg den zwar weniger respektablen, jedoch damals finanziell noch weitaus bessergestellten Schrotthändler Alfons Knittelbeek heiratete, bestand sie darauf, ihren Mädchennamen mit einzubringen. »Natürlich war das mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen«, hatte sie Frau Antonie einmal erzählt, »damals konnte man nicht so ohne weiteres einen Doppelnamen führen, und Papa mußte wohl seine ganzen Beziehungen spielen lassen. Aber Mama war tot, ich das einzige Kind, und irgendwie sollte der Name ja weiterleben, obwohl Papa mit der Heirat überhaupt nicht einverstanden gewesen war.«
    Nachdem Herr Knittelbeek es zu einer Jugendstilvilla in Hamburg-Eppendorf und einem recht ansehnlichen Bankkonto gebracht hatte, verstarb er unseligerweise während eines Herrenessens, an dem auch Damen teilgenommen hatten, von denen die feine Hamburger Gesellschaft später behauptete, es seien gar keine gewesen. Dorothee Klaasen-Knittelbeek wollte in Ruhe abwarten, bis sich die Wogen etwas geglättet hatten; allerdings nicht im herbstlich-kühlen Hamburger Klima, sondern an der italienischen Riviera. Mitte der fünfziger Jahre war sie das Traumziel der meisten Deutschen gewesen, die sich damals schon einen Urlaub leisten konnten, denn Mallorca war noch ein verschlafenes Eiland, und von den karibischen Inseln wußte man allenfalls, wo sie im Atlas zu finden waren.
    In San Remo lernte Dorothee den Herrn Dr. Werding kennen, seines Zeichens Rechtsanwalt und momentan auf der Flucht vor seinen Gläubigern, doch das erfuhr sie erst später. Der Herr Anwalt merkte sehr schnell, daß seine neue Bekanntschaft zwar fließend französisch sprach, mit der Hummergabel umgehen konnte und sich elegant kleidete, also aus einem guten Stall kam, auf der anderen Seite jedoch naiv und leicht beeinflußbar war. Ohne Schwierigkeiten gelang es ihm, Dorothee ein (»natürlich nur kurzfristiges«) Darlehen zu entlocken, mit dem er seine drängendsten Schulden bezahlen und sich wieder in Deutschland blicken lassen konnte. Dort nahm er sich, ausgestattet mit entsprechenden Vollmachten, des Knittelbeek'schen Schrotthandels an. Dorothee war's zufrieden. Sie hatte ein kleines Häuschen gemietet, ein älteres Ehepaar eingestellt – ohne Personal ging es nun mal nicht! –, lernte italienisch und fand auch bald Anschluß, wozu sich am besten die Spielbank eignete. Pünktlich zum Monatsanfang schickte Herr Dr. Werding einen großzügig bemessenen Scheck, und einmal pro Woche gab er telefonisch eine Art Lagebericht durch. Demnach entwickelte sich das Unternehmen zufriedenstellend, und was denn die verehrte gnädige Frau von einem Verkauf der Villa halte? Das Haus sei für eine Person doch viel zu groß, der zu erwartende Erlös betrage annähernd das Doppelte von dem, was der Herr Gemahl seinerzeit entrichtet hatte, und ›man‹ wohne jetzt mehr außerhalb. Der Verkehr, der Lärm und überhaupt …
    Dorothee hatte nichts dagegen. Mit der Villa verband sie nichts, genaugenommen hatte sie dieses stuckverzierte Monstrum, das merkwürdigerweise von den Bomben verschont geblieben war, nie leiden können – es war einfach zu protzig. Alfons hatte es allerdings gefallen, außerdem hatte er es für eine gute Geldanlage gehalten, was sich ja nun bewahrheitete, denn wenig später erhielt Dorothee einen Kontoauszug, der eine beträchtliche Summe aufwies. Der Verkauf des Hauses war innerhalb kürzester Zeit abgewickelt und das Mobiliar ihrem Wunsch entsprechend eingelagert worden.
    Nur einem bereits in Ehren ergrauten Bankangestellten war es zu verdanken, daß Dorothee nicht zum Sozialfall wurde. Ihn hatten die Bewegungen auf dem Klaasen-Knittelbeek'schen Konto schon seit einiger Zeit mißtrauisch werden lassen, denn immer wieder wurden große Summen in die Schweiz und nach Südamerika transferiert, ohne daß es einen ersichtlichen Grund dafür gab. Er bat um einen Termin beim Herrn Direktor, der ihm auch am nächsten Tag bewilligt wurde, und dann ging alles sehr

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