Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Änderungen an der richtigen Stelle angekommen sind, haben sich -zig Leute verfahren. Da sollen sie's lieber gleich tun, das ist einfacher.«
    »Und so einen quasselnden Wegweiser soll es tatsächlich schon geben? Glaube ich nicht!«
    »Doch, Onkel Florian, großes Indianerehrenwort!« Feierlich hob Björn seine rechte Hand hoch. »Weißt du nicht mehr? Dieses Zeichen hast du mir mal selber gezeigt, damals auf Ameland.« Er seufzte leise. »Waren das herrliche Zeiten, als ich noch eine Familie hatte …«
    Selten war Florian etwas so nahegegangen wie dieser Satz. Da saß neben ihm eines dieser Karriere-Kinder, das zwar Eltern, aber kein Elternhaus hatte, in teure Internate gesteckt wurde, von denen es in einigen Jahren nahtlos auf eine Universität wechseln und vermutlich viel zu früh eine feste Bindung mit dem ersten weiblichen Wesen eingehen würde, das ihm die entgangenen Streicheleinheiten zukommen ließ. Irgendwann Trennung oder – bei vorschneller Heirat – gar Scheidung, und schließlich die Erkenntnis, daß man zu tieferen Gefühlen offenbar gar nicht fähig ist.
    Ganz genau sah Florian das alles vor sich, sogar den Psychotherapeuten, in dessen Praxis Björn mit Sicherheit mal landen würde, und so betrachtete er es quasi als seine Pflicht, dem entgegenzuwirken, zumal er sich mit Teenagern bestens auskannte. Nicht umsonst hatte er seinerzeit sechs Monate lang die vier halbwüchsigen Kinder seines Bruders betreut und sich laufend Notizen gemacht für sein Buch, das er über die Halbstarken-Generation hatte schreiben wollen. Na schön, das war zwanzig Jahre her, und das Buch war ja auch nie fertiggeworden, aber die Teenies hatten sich trotzdem nicht sonderlich verändert. Sie waren noch genauso verletzlich wie früher und brauchten Geduld, Verständnis und Liebe. Ganz besonders Björn, hinter dessen scheinbarer Unbekümmertheit sich eine ganze Menge unsortierter Gefühlsmüll verbarg.
    »Weißt du was, Knabe?« begann Florian betont munter, »hättest du nicht Lust, noch ein paar Tage bei uns zu bleiben? Von mir aus auch die ganzen Ferien; sehr lange dauern sie ja nicht mehr, so daß sich der Flug eigentlich gar nicht lohnt.«
    »Meinst du das im Ernst?« Ungläubig sah ihn der Junge an. »Würde auch Tante Tina nichts dagegen haben?«
    »Die zuallerletzt!« sagte Florian im Brustton der Überzeugung und hoffte, daß es auch stimmte. »Ich muß dich allerdings warnen: So ruhig wie heute wird es morgen bestimmt nicht sein. Da fällt nämlich die ganze Verwandtschaft ein, deine Onkel, deine Tanten, deren ganzer Anhang, und wenn du Pech hast, auch noch deine Großmutter!«
    »Selbst auf die würde ich mich freuen«, behauptete er mit glänzenden Augen, »falls ich denn wirklich bleiben darf.«
    »Abgemacht!« versicherte Florian und empfahl seinem – ja, was war Björn denn eigentlich? Sein Großneffe? Also gut, seinem Großneffen, erst einmal seine Sachen auszupacken und dann in die Küche zu kommen. Bis dahin würde er, Florian, es wohl geschafft haben, Tinchen von der Notwendigkeit zu überzeugen, wieder mal gleichzeitig barmherzige Samariterin und seelischer Mülleimer spielen zu müssen. Wenn er sich nicht sehr täuschte, dann war Björn noch längst nicht mit allem herausgerückt, was ihn bedrückte.
    »Hmm«, überlegte Tinchen, während sie die beiden vor ihr liegenden Gänse mit kleinen Äpfeln vollstopfte, »in die Schublade wird er nicht mehr reinpassen, selbst wenn man ihn zusammenklappen könnte, also werde ich wohl vorübergehend mein Refugium räumen müssen.«
    »Wäre das sehr schlimm?« Florian mopste sich eine Apfelhälfte und schob sie in den Mund. »Ihh, da ist ja noch die Schale dran.«
    »Ohne hätten wir später Apfelmus im Gänsebauch. – Nein, es ist nicht schlimm, Eva ist auch aus dem Paradies vertrieben worden und hat's überlebt.«
    »Die hat ja auch bloß Adam am Hals gehabt und nicht seine ganze Sippe.«
    »Vermutlich hätte ihr das gar nichts ausgemacht«, kicherte Tinchen, »sie hatte keinen Haushalt, brauchte nicht zu kochen, kein Geschirr zu spülen, keine Betten zu beziehen … Wahrscheinlich wäre sie über Besuch sogar froh gewesen, denn immer bloß mit 'ner Schlange zu reden muß mit der Zeit ziemlich langweilig gewesen sein.«
    »Und immer bloß Äpfel essen, auch.« Florian griff nach dem nächsten. »Nach meiner Ansicht kann das Paradies gar keins gewesen sein. Niemals Schweinebraten mit Kartoffelklößen, nie ein schönes kühles Bier … Die haben doch bloß von

Weitere Kostenlose Bücher