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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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neunundsiebzigjährigen ehemaligen Straßenbahnschaffner über die Gefährlichkeit von zugefrorenen Weichen zu unterhalten!«
    Florian nickte verständnisvoll. »Und nun willst du auch Straßenbahnschaffner werden?«
    Björn lächelte schmerzlich. »Es gibt ja keine mehr.« Dann erzählte er weiter. »Gegen das Internat ist eigentlich nichts einzuwenden, die sind da sehr liberal, wenn sie auch total auf der Ökowelle schwimmen, so mit Sonnenkollektoren auf dem Dach, von denen bloß die Hälfte richtig arbeitet, und drei Teichen im Garten, die sämtlichen Kröten im Umkreis von zehn Kilometern als Sommerquartier dienen. Für die Essenreste gibt es zwei Schweine, die Milch liefern ein paar Kühe, und die Schafe sind als Rasenmäher da. Wer ein Pferd besitzt, kann es mitbringen, wer schon ein Moped hat, muß es zu Hause lassen. Fahrräder sind obligatorisch, Autos lediglich der Internatsleitung vorbehalten. Und das nächste Dorf ist drei Kilometer weit weg! Es verfügt aber über zwei Kneipen, einen Tante-Emma-Laden, der gleichzeitig Postamt ist und Sammelbesteller für ein halbes Dutzend Versandhäuser, einen Friseur, der den Stil der frühen Siebziger praktiziert, und eine Telefonzelle, die nie funktioniert. Dafür ist das Fernsprechbuch angekettet, fängt aber erst bei F an. – Du mußt doch zugeben, Onkel Florian, daß ich nur glücklich sein kann, in dieser herrlichen Umgebung leben zu dürfen, und das noch mindestens vier Jahre lang!« Ein mühsam unterdrückter Schluchzer strafte Björns flapsige Schilderung Lügen.
    »Darüber reden wir später!« entschied Florian. »Jetzt will ich erst noch das Ende der Geschichte erfahren. Dich hat also jemand zum Flugplatz gebracht, die Maschine ist gestartet und dann wegen eines Defekts wieder umgekehrt. Wie ging's weiter?«
    »Man hat uns wieder aussteigen lassen, in einen Warteraum verfrachtet, nach 'ner Stunde Lunchpakete verteilt und uns immer wieder versichert, daß man den Schaden in Kürze beheben könne. Plötzlich hieß es, wir würden eine andere Maschine kriegen, sie sei bereits aus Brüssel oder Paris oder sonstwoher unterwegs. Eigenartigerweise ist sie nie in Düsseldorf angekommen. Gegen acht Uhr haben sie uns erst in einem der Restaurants ziemlich aufwendig abgefüttert, dann sind sie mit der Wahrheit rausgerückt: Weiterflug erst am nächsten Tag zu einem noch nicht geklärten Zeitpunkt, Übernachtung im Flughafenhotel leider nicht möglich, da ausgebucht. Im Klartext hieß das: Seht zu, wie ihr die Nacht rumbringt, und morgen sehen wir dann weiter. Ich bin erst noch eine Weile durch den Terminal gelatscht, aber da war ja längst tote Hose, und als ich mir schon einen dieser hübschen festgeschraubten Plastikstühle als Schlafplatz aussuchen wollte, fiel mir plötzlich ein, daß ja irgendwo in Düsseldorf was Verwandtes wohnt, bloß die Adresse wußte ich nicht mehr.« Er schmunzelte. »Ein Glück übrigens, daß du einen nicht so gängigen Vornamen hast, es stehen nämlich eine ganze Menge Benders im Telefonbuch!«
    »Warum hast du denn nicht gleich angerufen?«
    »Wollte ich erst, aber dann habe ich mir vorgestellt, wie ihr da unterm Weihnachtsbaum sitzt, fromme Lieder singt, Glühwein trinkt und Plätzchen knabbert und wahrscheinlich wenig begeistert sein würdet, wenn euch in diese Idylle ein Fremder reinschneit. Steht der aber schon vor der Tür, dann könnt ihr ihn schlecht wieder wegschicken.«
    »Jetzt komm mal her, du Fremdkörper!« sagte Florian, zeigte auf die Sessellehne, und als sich Björn zögernd darauf niedergelassen hatte, drückte er ihn kurz an sich. »Da kennst du aber deine Tante schlecht! Wenn sie gewußt hätte, daß du mutterseelenallein auf dem Flugplatz herumhängst, wäre sie sofort ins Auto gestiegen und hätte dich geholt. Oder es zumindest versucht«, verbesserte er sich, »denn Tina gehört zu jenen seltenen Menschen, die ihr Ziel niemals auf Anhieb erreichen, sondern erst ein paarmal daran vorbei – oder drumrumfahren. Sie würde mit Sicherheit auch den Flughafen verfehlen. Deshalb hofft sie ja, daß es noch zu ihren Lebzeiten Autos geben wird mit Navigationssystem und einer Stimme, die ihr genau sagt, wann sie wo abbiegen muß.«
    »Sowas Ähnliches gibt's doch schon, bloß funktioniert's nicht immer!« behauptete Björn. »Was ist, wenn Stadtväter aus 'ner Durchgangsstraße plötzlich eine Fußgängerzone machen oder auch 'ne Einbahnstraße, weil dann die Fußgänger eine größere Überlebenschance haben? Bis diese

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