Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Florian, brach jedoch sofort wieder ab. »Du zuerst!«
»Ach, war nicht so wichtig, ich wollte bloß wissen, ob es wirklich richtig gebrannt hat.«
»Also wenn du Flammen meinst und so, dann nein. Angeblich war ein Kabel durchgeschmort, aber die wußten wohl nicht so genau, was für eins, deshalb haben sie kehrtgemacht. War sicher auch besser so, in letzter Zeit fällt ja alle naselang was runter, und das Mittelmeer ist im Dezember doch ziemlich kalt!«
Tinchen wunderte sich. »Ich denke, Brunei liegt da, wo das Wasser warm ist?«
»Das schon, aber so weit hätten wir es wohl gar nicht erst geschafft«, sagte Björn, seinen Stuhl zurückschiebend. »Darf ich mal telefonieren? Die Ersatzmaschine ist bestimmt längst weg, aber vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit. Irgendwie muß ich ja in dieses verdammte Land kommen.« Er stand auf und stürzte aus der Küche. Tinchen wollte sofort hinterher, doch Florian hielt sie zurück. »Laß ihn erst mal allein, ich glaube nämlich, er weint. Und in diesem Fall wird keine Tante gebraucht, sondern ein verständnisvoller Onkel.« Er zündete zwei Zigaretten an, reichte Tinchen eine über den Tisch und sah auf die Uhr. »Zwei Minuten gebe ich ihm, dann wird er sich wohl wieder halbwegs beruhigt haben.« Nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Irgendwas stimmt bei der ganzen Sache nicht, und ich will Florentine heißen, wenn ich das nicht rauskriege!«
Eine Namensänderung war nicht zu befürchten, denn eine knappe Stunde und fünf Zigaretten später hatte er alles herausgebracht, was er wissen wollte. Danach hatte die bayerische Internatsleitung kurz vor Beginn der letzten Sommerferien dem sehr geehrten Herrn Urban Bender per Einschreiben mitgeteilt, daß man auf eine Rückkehr seines Sohnes Björn keinen Wert mehr lege. Er sei nicht nur renitent, sondern zeige darüber hinaus eine sich steigernde Disziplinlosigkeit, die allmählich auch auf andere Zöglinge übergreife. Des weiteren ließen seine schulischen Leistungen befürchten, daß Björn trotz seiner unbestrittenen Intelligenz das nächste Klassenziel nicht mehr erreichen würde.
»Wir empfehlen daher, Ihren Sohn in ein weniger konservativ geführtes Institut zu schicken und verbleiben mit den besten Wünschen blablabla«, leierte Björn herunter. »Natürlich habe ich gemotzt, wenn die mir Stubenarrest aufgebrummt haben, weil ich zu spät in den Speisesaal gekommen bin oder nicht Punkt zehn Uhr das Licht ausgemacht habe, aber bin ich deshalb schon renitent? Und was heißt disziplinlos? Ich hab' mal 'ne halbverhungerte Katze reingeschmuggelt und vier Tage lang hochgepäppelt, bis die Sache aufgeflogen ist. Die sind fast ausgeflippt, denn Haustiere sind streng verboten. Dabei darfste sogar im Knast'n Kanarienvogel halten!« Mit einem schiefen Grinsen sah er Florian an. »Na ja, und einmal haben wir zu dritt den Zerberus in der Pförtnerloge außer Gefecht gesetzt – gewaltlos natürlich, eine halbe Flasche Old Dimple hat gereicht –, haben den Hausschlüssel geklaut und sind heimlich ins Kino gegangen. Spätvorstellung. Unser Pech war nur, daß einer von den Fünftkläßlern mit 'nem akuten Blinddarm ins Krankenhaus mußte. Der Notarztwagen hätte mich noch beinahe überfahren!«
»Das sind doch alles bloß Dummejungenstreiche«, wunderte sich Florian, »deshalb schmeißt man doch niemanden raus.«
»Genau das hat Vati auch gesagt. Wütend ist er bloß über das miserable Zeugnis gewesen. Ein Dippel-Insch kapiert einfach nicht, wie man sich eine Vier in Mathe und eine Fünf in Physik einhandeln kann.« In seiner Stimme klang ein bißchen Schuldbewußtsein mit. »Ich geb's ja zu, daß ich in beiden Fächern eine Note besser sein könnte, aber ich hatte genug zu tun, wenigstens in Deutsch und Englisch wieder auf 'ne Drei zu kommen, sonst wäre die Ehrenrunde schon in diesem Jahr fällig gewesen. Jetzt habe ich sie noch gut.«
»So weit habe ich alles verstanden«, nahm Florian den Faden wieder auf, »aber was ist nach den Ferien passiert? Anscheinend bist du auf ein anderes Internat gekommen?«
»Natürlich, in Brunei konnte ich ja nicht bleiben. Vati hat sich von einem Kollegen, der für ein paar Tage nach Deutschland mußte, Prospekte mitbringen lassen.« Björn verdrehte die Augen. »Und ich habe mir mein Gefängnis auch noch selber ausgesucht! Im Sauerland! Da, wo's am sauersten ist! Rundherum Natur, bloß schräg gegenüber ein Altersheim. Du glaubst gar nicht, wie anregend es ist, sich mit einem
Weitere Kostenlose Bücher