Hotel Mama vorübergehend geschlossen
ich dir! Bei vierunddreißig Grad im Schatten in Abendkleid und Smoking! Ich hatte noch keinen, mußte also im dunklen Anzug antreten mit gestärktem Hemd, Fliege und so weiter, und da sagte doch dieser Rotzlöffel von Sohn zu mir: ›Sei froh, daß diesmal kein Mitglied der Sultansfamilie am Dinner teilnimmt, sonst würde dich mein Vater glatt rausschmeißen.‹«
»Hast du ihm eine geklebt?«
»Hätte ich gerne, aber coram publico tut man sowas ja nicht. Außerdem ist der Knabe ein halbes Jahr jünger als ich, und in seinem roten Dinnerjäckchen hat er ausgesehen wie ein Affe auf'm Leierkasten. Ich bin aber tierlieb.«
Nur mit Mühe konnte sich Florian das Lachen verbeißen. »Kann es sein, daß du grundsätzlich Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen hast? Deine Mutter erwähnte kurz eine Auseinandersetzung zwischen dir und einem französischen Jungen …«
»Auseinandersetzung ist gut!« kicherte Björn. »Ich hab den Kerl erst verdroschen und dann in den Pool geschmissen, hatte allerdings keine Ahnung, daß er nicht schwimmen kann. Mit vierzehn Jahren!« Er tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn. »Bevor ich das mitkriegte, standen schon zwei lamentierende Hausboys am Rand, aber die konnten auch nicht schwimmen, und so mußte ich doch tatsächlich selber reinspringen und dieses Ekel an Land ziehen!«
Florian betrachtete sein Gegenüber von oben bis unten. »Du siehst doch gar nicht so gewalttätig aus! Was war denn passiert?«
»Dieser Bängschamäng« – er übertrieb absichtlich die Betonung der beiden Nasallaute – »ist ein verzogenes, arrogantes Arschloch! 'Tschuldige, Onkel Florian, aber eine andere Bezeichnung gibt es dafür nicht. Er führt sich auf wie King Louis, kommandiert das Personal rum wie so'n Schleifer auf'm Kasernenhof, und wer nicht spurt, den verpfeift er bei seinem Vater. Der ist eigentlich ganz in Ordnung, aber seitdem ihm seine Frau abgehauen ist, ist das Söhnchen sein Einundalles. Und das nutzt der aus! Ich hab ihn erwischt, wie er einer kleinen Malayin an die Wäsche wollte. Wahrscheinlich gehörte sie auch zum Personal, war Küchenmädchen oder sowas Ähnliches, jedenfalls hatte sie einerseits eine panische Angst vor dem Kerl, traute sich andererseits aber nicht zu schreien. Ich hab' einen Moment gewartet, ob er sie nicht doch noch in Ruhe läßt, und dann bin ich dazwischengegangen. Und ob du's glaubst oder nicht, dieser Kretin hat nicht mal geschnallt, was ich von ihm wollte! Ich solle mich gefälligst wegscheren, diese kleine Hure habe es ja darauf angelegt und so weiter. Erst habe ich ihn bloß von der Kleinen weggezerrt, damit sie abhauen konnte, doch als er dann weiter schwadronierte, er würde ja doch kriegen, was er wolle, und ich solle endlich aufhören, den Bodyguard für dieses Gesindel zu spielen, die seien das doch alle gar nicht wert, bin ich ausgerastet. Ich habe diesen Mistkerl so vermöbelt, daß er sich mit Sicherheit ein paar Tage lang nicht aus dem Haus gewagt hat. Ich übrigens auch nicht«, fügte er mit einem kläglichen Grinsen hinzu, »er hat sich natürlich gewehrt, aber er hatte ja nicht so 'ne Wut im Bauch wie ich!«
»Beschützer der Witwen und Waisen, Verteidiger der Schutzlosen oder so ähnlich, hm?« Zärtlich fuhr ihm Florian durch den dichten Blondschopf. »Hat denn dein heroischer Einsatz kein Nachspiel gehabt?«
»Natürlich. Erst hat Vati eins auf die Glocke gekriegt, denn Benjamins Vater ist sein direkter Vorgesetzter, und dann wurde ich hinzitiert. Gerechterweise muß ich aber sagen, daß Monsieur Grinauld keine Staatsaffäre daraus gemacht hat, obwohl sein Herzblatt natürlich den ganzen Sachverhalt verharmlost hatte. Ich glaube, le papa hat die Wahrheit geahnt und mich deshalb mit ein paar mahnenden Worten bald nach Hause geschickt.« Er feixte. »Aber ein Gutes hat die ganze Sache doch gehabt: Klein-Benjamin sitzt jetzt ebenfalls im Internat, allerdings in der Schweiz, und findet es empörend, daß er sein Bett selber machen muß.«
Lachend hängte sich Florian bei seinem Neffen ein und zog ihn zur Tür. »Ich fürchte, das wird dir hier auch passieren. Genaugenommen mußt du mitsamt deinem Bett erst mal umziehen. Komm, ich zeig dir, wo du die nächsten zwei Wochen wohnen wirst.«
Nachdem Tinchen ihre Gänse vorbereitet und erst mal im Keller abgestellt hatte, weil es da am kühlsten war, goß sie sich den Rest des inzwischen nur noch lauwarmen Kaffees ein, holte aus dem im Winter nie benutzten Spargelkochtopf eine
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