Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Rohkost gelebt und unter freiem Himmel geschlafen. Sei mal ehrlich, Tine, würde dir das auf Dauer gefallen?«
»Natürlich nicht!« kam es sofort zurück, »genausowenig wie Adam als Ehemann zu haben, der nichts arbeiten muß und einem den ganzen Tag auf der Pelle sitzt. By the way – wie wär's denn, wenn du dich endlich mal anziehen und dann mit Björn zusammen den Klapptisch von Toni holen würdest?«
»Machen wir gleich«, versicherte er eifrig, »du hast also nichts dagegen, wenn der Junge seine restlichen Ferien bei uns verbringt?«
»Ich nicht, aber was werden seine Eltern dazu sagen? Die sehen ihn doch sowieso nur ein paar Wochen im Jahr. – Gib mir mal die Nadel rüber! Nein, nicht die! Was soll ich mit 'ner Stricknadel? Die brauche ich nur zum Prüfen, ob der Kuchen gar ist. Ich meine die halbrunde mit dem Faden drin. Ja, die ist richtig! Und nun drück mal den Vogel da hinten ein bißchen zusammen. Fester, der ist tot, der tut dir nichts mehr!«
Während Florian mit spitzen Fingern assistierte, nähte Tinchen die beiden Gänse zu. »Ein Glück, daß ich vorsichtshalber noch sechs Truthahnkeulen gekauft habe, sonst würde es möglicherweise knapp werden. Meinst du wirklich, Urban und Solveig haben nichts dagegen, wenn Björn hierbleibt?«
»Mich würde nur das Gegenteil wundern.« Er überzeugte sich, daß Tinchen jetzt ohne ihn fertig wurde und wusch sich die Hände. Dann sah er auf die Uhr. »In Brunei ist jetzt teatime, also müßte ich sie erreichen können. Und du machst mir ganz bestimmt keinen Vorwurf, weil du dein Zimmer hergeben mußt?«
»Wenn ich es mir recht überlege«, erwiderte sie mit süffisantem Grinsen, »dann ist die ganze Sache doch deine Idee, also wäre es auch naheliegend, daß du
dein
Zimmer …«
»Das geht gar nicht, da steht ja nicht mal ein Kleiderschrank drin!« wehrte Florian erschrocken ab. »Und außerdem muß ich zwischendurch auch mal arbeiten.« Dann machte er, daß er aus der Küche kam.
Natürlich würde sie ein paar Tage lang auf ihr kleines Reich, auf ihren Zufluchtsort verzichten können, und für Björn tat sie es sogar gerne. Immerhin war er es gewesen, der Florian zum erstenmal zum Großonkel gemacht hatte. »Wer weiß, ob überhaupt, und selbst wenn,
wann
ich mal Opa werde«, hatte der getönt und diesen gerade mal drei Wochen alten Säugling stolz im Kinderwagen spazierengefahren, was in der Nachbarschaft erst Verwunderung und dann wilde Gerüchte ausgelöst hatte, »die Kids von heute wollen ja gar nicht mehr heiraten.« Damals war Tobias neunzehn gewesen und Julia siebzehn.
Der sechsundzwanzigjährige Urban war von seinem Nachwuchs weit weniger begeistert gewesen, oder – anders ausgedrückt – er hätte ganz gern noch ein paar Jahre lang darauf verzichtet. Immerhin hatte er erst im vorherigen Sommer sein Ingenieur-Studium abgeschlossen gehabt und zwei Wochen später Solveig geheiratet, eine Kommilitonin aus Schweden, die allerdings mit Klimatechnik nichts am Hut hatte, sondern in Heidelberg Germanistik studierte. Als sie ihren Abschluß machte, war sie im siebten Monat, und als Björn in ihrem Elternhaus in Malmö geboren wurde, richtete Urban gerade in Garbsen die gemeinsame Wohnung ein.
»Wo um alles in der Welt liegt denn das?« hatte Florian wissen wollen, als die junge Familie auf dem Weg in ihr neues Domizil zwei Tage lang in Düsseldorf Station machte und Björn in Ermangelung eines Kinderbetts in der ausgepolsterten Kommodenschublade schlafen mußte, »das klingt so nach Ententeich, Rübenfeldern und guter chemischer Landluft!«
Es stellte sich heraus, daß Garbsen sehr verkehrsgünstig in der Nähe von Hannover lag, wo es nicht nur einen gutbezahlten Job für einen frischgebackenen Klimatechniker gab, sondern darüber hinaus preisgünstige Wohnungen. Urban brauchte beides, Solveig weder noch. Sie haßte »dieses Provinznest«, und sie haßte auch die kleine Neubauwohnung in einem Achtfamilienhaus. Sie fuhr sooft wie möglich mit Björn nach Malmö, und als sie zum zweitenmal schwanger wurde, eröffnete sie ihrem Mann, daß sie in Schweden bleiben werde, bis er eine neue Stellung in einer Großstadt gefunden habe und außerdem eine angemessene Unterkunft.
München hatte ihr dann schon wesentlich besser gefallen, und sie hatte sogar in Kauf genommen, daß sie kein eigenes Haus haben konnte, sondern sich eins mit zwei anderen Familien teilen mußte; immerhin stand dieser ein bißchen heruntergekommene Altbau in Grünwald, und das wog
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