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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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einer Zeitung erschien sogar ein Artikel über uns mit dem Titel »Das Gesetz schreiben die Tränen«. Ich habe ihn unzählige Male gelesen, bis ich ihn irgendwann auswendig konnte:
     
    Die Räumungsklage, die in diesen Tagen eine Familie aus Vukovar erreicht, werden viele von uns als einen klaren Regelverstoß interpretieren. Die dreiköpfige Familie hat sich mit Gewalt Zugang zu einem der Hochhäuser von Novi Zagreb verschafft. Es ist das übliche Schauspiel, das wir dieser Tage immer wieder erleben. Aber nun müssen wir uns fragen, was soll noch alles passieren, während wir seit Monaten nur noch mit den Schultern zucken können, wenn wir tagein, tagaus von ähnlichen Einbruchsfällen erfahren, die neuerdings durch Uniformen, Kampfzonen oder Flüchtlingsströme legitimiert werden …
    Bevor wir die Familie aus Vukovar besuchten, haben wir recherchiert und festgestellt, dass unter den Einbrechern von Fall zu Fall ganz unterschiedliche Ansichten über Gesetz und Anstand herrschen. Die Schicksale der Einbrecher sind zudem alles andere als identisch. Lediglich die Art und Weise, wie der Einbruch vonstatten geht, unterscheidet sich ein wenig, jedoch ist immer die gleiche Struktur erkennbar. Die Geschichte beginnt in der Regel mit der Nachricht um eine leerstehende Wohnung, es finden sich dann ein, zwei Mutige, die das Schloss knacken, und das Ganze endet damit, dass die Polizei kommt.
    Dieses uns allen bekannte Szenario hat im vorliegenden Fall nun eine ganz neue Wendung bekommen; der Familie aus Vukovar liegt eine eigenartige Räumungsklage und ein dringlicher Bescheid vor, zu einem ungewöhnlich kurzfristigen Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen. Und noch etwas ist hier auffällig: das vollkommene Desinteresse des ominösen Wohnungsbesitzers bzw. Vermieters. Die Nachbarn und die Familie aus Vukovar erzählen, dass er nicht einmal an der Tür seiner Wohnung vorstellig geworden ist, um zu sehen, wer sich überhaupt darin befindet. Es stimmt, dass er das Gebäude betreten hat, aber die neuen Mieter hat er bei der Gelegenheit nicht aufgesucht. Es handelt sich hier nämlich, darüber sind sich alle einig, um eine Art PHANTOM-VERMIETER.
    Im Gespräch mit den Hausbewohnern konnten wir in Erfahrung bringen, dass der Mann in den vergangenen sieben Jahren nicht ein einziges Mal im besagten Gebäude gesehen worden war. Vor drei Jahren gingen während eines heftigen Sturms in Zagreb sogar die Fenster zu Bruch, und die Wohnung verkam zu einer Brutstätte für Tauben und Ungeziefer. Aber auch das kümmerte den jetzt plötzlich so besorgten Herrn nicht im geringsten, und er ließ sich damals nicht ein einziges Mal vor Ort blicken. Die toten Tauben und den Müll räumte ein älterer Herr weg, wahrscheinlich der Vater des Mannes, so vermuten es jedenfalls die anderen Bewohner des Hauses. In der Zweizimmerwohnung lebte eine Weile lang eine Untermieterin, die niemand im Haus leiden konnte. Obwohl sie dort insgesamt drei Jahre verbrachte, wurde das Apartment offiziell als leerstehend geführt. Die Leute aus Vukovar betonen, dass sie niemals in die Wohnung gezogen wären, wenn sie von der Frau gewusst hätten. Die Wohnung wurde zufälligerweise gerade am Tag ihres Einzugs von einer dreiköpfigen Kommission aus dem Unternehmen inspiziert, in dem der eigenartige Besitzer beschäftigt war und das ihm diese Wohnung zur Verfügung gestellt hatte. Das Unternehmen wollte sich darüber Klarheit verschaffen, wer sich eigentlich in der Wohnung befindet, da Sozialwohnungen dieser Art bald verkauft werden sollten. Als sich die Mitarbeiter des Unternehmens mit den Tränen und dem Schicksal der Familie aus Vukovar konfrontiert sahen, gaben sie nach. Man wollte aber den ganzen Vorgang auf eine legale Ebene heben und ihnen die dafür notwendigen Bescheinigungen ausstellen. Sie durften die Wohnung zeitweise und so lange nutzen, bis eine neue Bleibe für sie gefunden war. Ein Mitglied der Kommission sagte sogar zu ihnen: »Lieber bringe ich Sie in meinem Haus unter, als sie jetzt auf die Straße zu setzen …« Da viele Leute des sogenannten Kriegseinbrechertypus großes Interesse an einer Wohnung in der Hauptstadt haben, war es völlig klar, dass der Verbleib dieser Familie in der Wohnung nur eine vorübergehende Lösung sein konnte, bis sich die zuständigen offiziellen Institutionen um eine grundsätzliche Lösung des Flüchtlingsproblems kümmern würden. Bis dahin, befand die Unternehmenskommission, durfte man die Leute nicht einfach auf die Straße

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