Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
Vom Netzwerk:
zusammen arbeiteten in ihrem unermüdlichen Willen, die akademische Malerei aufzubrechen. Aber dafür ist es zu spät, das müsste Vincent doch auch wissen. Immerhin hat Theo kürzlich eines der Bretagne-Bilder von Gauguin verkauft, aber das verschweigt er Vincent lieber, um ihn nicht unnötig aufzuregen. Freundschaft und Neid liegen gerade bei Künstlern eng beieinander.
    »Zugleich frage ich mich immer wieder, warum ich eigentlich weitermache, wo uns die Sache so viel kostet und nichts einbringt. Ich lebe seit Jahren mit Gewissensbissen, dass ich dein Geld ausgebe. Das Schlimme ist, dass es in meinem Alter verflucht schwer ist, eine neue Beschäftigung zu finden. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter zu malen. Arbeit und Geduld, einen anderen Weg gibt es nicht.«
    Theo meint, in Vincents Blick plötzlich ein Lächeln zu erkennen.
    »Dieses Handwerk ist wie ein Spinngewebe, in dem man gefangen sitzt. Aber ich kann und muss mit meinen Bildern Geld verdienen! Wenigstens genug, um meine Ausgaben zu decken. Warum ist das so schwer?«
    »Glaube mir, wir stehen vor dem Durchbruch!«
    »Ich mache dir ja keine Vorwürfe, Theo, allenfalls mir selbst. Aber das Geld, das uns die Malerei kostet, muss zurückkommen. Nur unter dieser Bedingung bin ich bereit, weiterzuarbeiten.«
    »Wir haben viele Schwierigkeiten überwunden, Vincent, am Ende wird der Erfolg dir recht geben.«
    »Ich fühle nur, wie brüchig meine Existenz ist. Mein Leben ist an der Wurzel angegriffen. Und dabei bleibt so viel noch zu tun.«
    Rauchend verfällt Vincent in ein undurchdringliches Schweigen. Theo döst vor sich hin. Als er nach einiger Zeit aufblickt, sieht er, dass Vincent die Augen geschlossen hat. Aber er atmet!
    Ein weiterer Schwächeanfall überkommt ihn, und Theo verlässt geräuschlos die Mansarde. Er tastet sich unsicher die Treppe hinunter. Seit Stunden hat er nichts gegessen. Wortlos löffelt er die Suppe und trinkt den Rotwein, den man ihm reicht.
    Er hört, wie hinter seinem Rücken Dr. Gachet dem Wirt, Monsieur Ravoux, zuflüstert:
    »Mir als Arzt macht Theo genauso viel Sorgen wie sein Bruder. Erschreckend, wie er aussieht!«

2.
    Paris schläft. In der Nacht zum 17. Juni 2003 machen sich die Einheiten der Elitepolizei des Innenministeriums und ein Spezialkorps der französischen Terrorabwehr auf den Weg nach Auvers und umliegende Dörfer im Tal der Oise. Die Aktion gegen iranische Terroristen dort wurde seit langem unter absoluter Geheimhaltung vorbereitet. Alle Fäden laufen an oberster Stelle beim Chef des für die Terroristenüberwachung zuständigen Geheimdiensts DST in Paris zusammen.
    Deckname »Theo«. Die Eingeweihten finden dies clever. Unverfänglicher als der ursprünglich ins Auge gefasste Deckname »Vincent«. Journalisten, denen jemand unbefugterweise den Namen des vertraulichen Projekts zugesteckt hätte, könnte durchaus der Rückschluss von Vincent auf Auvers-sur-Oise gelingen.
    Allerdings, wer in Paris weiß schon, dass Vincent van Gogh in Auvers-sur-Oise gestorben ist, die meisten glauben, er habe sich in der Anstalt in St. Rémy oder in Arles erschossen: Erst schneidet er sich dort das Ohr ab und einige Zeit später jagt er sich die Kugel in den Leib.
    Es ist die bisher umfassendste Razzia der Terrorabwehr auf französischem Boden. Dabei steht der eigene Ruf auf dem Spiel. Man hat auch den Amerikanern etwas zu beweisen: Terroristenbekämpfung ja, Irak-Krieg nein.
    Im Morgengrauen soll laut Plan im Handstreich die gesamte Infrastruktur der Terroristen ausgelöscht werden. Die Polizei von Auvers hat man im Vorfeld nicht über die Aktion unterrichtet, auch den Bürgermeister nicht. Man weiß in Paris zu wenig über deren Verhältnis zu den Iranern, die schließlich dort seit Jahren mit ihren Familien leben. Das Risiko, dass Informationen durchsickern könnten, ist zu hoch.
    Jean-Yves Rampal, Kommandant eines Kontingents der Elitepolizei, ist für die Erstürmung des zentralen Büro- und Siedlungskomplexes der Terroristen zuständig. In den vergangenen Tagen hat er unauffällig die örtlichen Gegebenheiten auskundschaften lassen. Das Gelände liegt am Dorfrand von Auvers. Ein hoher Betonzaun schirmt eine Anlage von Containergebäuden, in der sich die Kommandozentrale der Iraner und einige Wohnungen befinden, gegen die Außenwelt ab. Niemand weiß genau, wie viele Menschen dort leben, obwohl es in Frankreich eine Meldepflicht gibt! Zumindest die Lage der Container auf dem Grundstück ist durch

Weitere Kostenlose Bücher