Hotel
nickte, senkte der Oberkellner den Arm.
Die Köche mit den Kerzen liefen an der Reihe der Tabletts entlang und zündeten sie an. Die Schwingtüren wurden weit aufgerissen und eingehakt. Draußen blendete ein Elektriker wie auf ein Stichwort hin das Licht ab. Die Musik des Orchesters wurde leiser und verstummte unvermittelt. Das Geplauder unter den Gästen im Saal erstarb.
Plötzlich strahlte am anderen Ende ein Scheinwerfer auf und richtete sich auf die Türöffnung. Nach einer kurzen Stille ertönte ein Trompetensignal. Als es zu Ende war, stimmten Orchester und Orgel zusammen fortissimo die ersten Takte von »The Saints« an. Im Gleichschritt der Musik marschierte die Prozession der Kellner mit flammenden Tabletts in den Saal.
Peter McDermott betrat der besseren Sicht wegen den Großen Ballsaal. Der Raum war von den unerwartet zahlreichen Essensgästen bis zum Bersten gefüllt.
»Oh, when the Saints; Oh, when the Saints; Oh, when the Saints go marching in …« Aus der Küche kam ein Kellner nach dem anderen in adretter blauer Uniform hereinmarschiert. Für diesen feierlichen Einzug hatte man sie alle bis zum letzten Mann requiriert. In ein paar Minuten würde gut ein Drittel wieder zu seiner Arbeit im anderen Bankettsaal zurückkehren. Im Halbdunkel flammte der brennende Alkohol auf wie eine Fackel … »Oh, when the Saints; Oh, when the Saints; Oh, when the Saints go marching in …« Die Gäste brachen spontan in Applaus aus und klatschten dann im Takt der Musik in die Hände, während die Kellner in einem großen Bogen durch den Raum zogen. Das Hotel war seinen Verpflichtungen planmäßig nachgekommen. Niemand außerhalb der Küche ahnte, daß Minuten früher eine Krise ausgebrochen war und nur unter Anspannung aller Kräfte überwunden wurde … »Lord, I want to be in that number, when the Saints go marching in …« Als die Kellner ihre Tische erreichten, flammten die Lampen wieder auf inmitten von erneutem Applaus und lärmenden Beifallsrufen.
André Lémieux hatte sich zu Peter gestellt. »Das war’s für ‘eute abend, Monsieur. Außer, Sie möchten gern einen Kognak trinken. In der Küche ‘abe ich einen kleinen Vorrat.«
»Nein, vielen Dank.« Peter lächelte. »Das war eine gute Schau. Gratuliere!«
Als er sich abwandte, rief ihm der Souschef nach: »Gute Nacht, Monsieur. Und vergessen Sie nicht.«
Peter blieb verdutzt stehen. »Was soll ich nicht vergessen?«
»Was ich Ihnen neulich sagte. Von dem erstklassigen Hotel, Monsieur, das Sie und ich aufziehen könnten.«
Halb belustigt, halb nachdenklich zwängte sich Peter an den Tischen vorbei auf den Ausgang zu.
Er war nur noch ein kurzes Stück von der Tür entfernt, als ihm auffiel, daß irgend etwas nicht stimmte. Stehenbleibend und sich umblickend überlegte er, was es sein könnte. Dann ging ihm plötzlich ein Licht auf. Dr. Ingram, der hitzige kleine Präsident des Zahnärztekongresses, hätte eigentlich bei diesem Bankett den Vorsitz führen müssen. Aber der Doktor war weder auf dem Ehrenplatz an der langen Tafel noch sonstwo zu sehen.
Einige Delegierte gingen umher, um Freunde zu begrüßen. Ein Mann mit einem Hörapparat blieb neben Peter stehen. »Eine Pfundsveranstaltung, heh!«
»Finde ich auch. Ich hoffe, Sie waren mit dem Dinner zufrieden?«
»Nicht übel.«
»Übrigens suchte ich gerade Dr. Ingram«, sagte Peter. »Ich sehe ihn nirgends.«
»Das glaub’ ich«, war die kurze Antwort. Der Mann musterte ihn argwöhnisch. »Kommen Sie von einer Zeitung?«
»Nein, ich gehöre zum Hotel. Ich hab’ Dr. Ingram ein paarmal gesprochen …«
»Er hat sein Amt niedergelegt. Heute nachmittag. Falls Sie meine Meinung wissen wollen, er hat sich wie ein verdammter Narr benommen.«
Peter unterdrückte seine Verwunderung. »Wissen Sie zufällig, ob der Doktor noch im Hotel ist?«
»Keine Ahnung.« Der Mann mit dem Hörapparat ging weiter.
Im Korridor befand sich ein Hausanschluß. Die Telefonistin berichtete, daß Dr. Ingram zwar noch immer als Gast geführt würde, daß sich jedoch niemand in seinem Zimmer meldete. Peter rief den Hauptkassierer an. »Hat Dr. Ingram seine Rechnung schon bezahlt?«
»Ja, Mr. McDermott, vor etwa einer Minute. Ich kann ihn von hier aus sehen. Er ist noch in der Halle.«
»Schicken Sie jemanden zu ihm und bitten Sie ihn, zu warten. Ich bin auf dem Weg nach unten.«
Dr. Ingram hatte zwei Koffer neben sich und den Mantel über dem Arm, als Peter unten anlangte.
»Was ist jetzt wieder los,
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