Hotel
d’hôtel in der Küche korrekterweise zuerst an den diensthabenden Chef.
André Lémieux fragte: »Wie viele Gäste erwarten wir zum Dinner, Mister Dominic?«
Der maître d’hôtel zog einen Zettel zu Rate. »Die Gold-Crown-Leute haben zweihundertvierzig veranschlagt, und so viele haben wir gesetzt. Es sieht ganz danach aus, als wären so ziemlich alle da.«
»Es sind Verkäufer mit festem Gehalt«, sagte Peter. »Sie können es sich nicht leisten, aus der Reihe zu tanzen. Die Zahnärzte machen, was sie wollen. Bei ihnen wird’s vermutlich Nachzügler geben, und viele werden gar nicht kommen.«
Der maître d’hôtel nickte zustimmend. »Wie ich höre, wird in den Zimmern schwer getrunken. Der Eiskonsum war hoch, und es werden laufend Mixgetränke nachbestellt. Wir dachten, das würde die Zahl der Dinnergäste verringern.«
Das große Rätselraten bei Tagungen war jedesmal, wie viele Portionen vorbereitet werden mußten. Das war ein vertrautes Problem für die drei Männer. Die Organisatoren von Kongressen gaben dem Hotel eine Mindestgarantie, aber in der Praxis pflegte sich die Zahl um ein- oder zweihundert nach oben oder unten zu verschieben. Ein Grund dafür war, daß man nie voraussagen konnte, wie viele Delegierte sich zu kleineren geselligen Grüppchen zusammenschließen und auf die offiziellen Banketts verzichten oder umgekehrt im letzten Moment en masse anrücken würden.
Die letzten Minuten vor einem Tagungsbankett waren in jeder Hotelküche unweigerlich spannungsgeladen und gewissermaßen ein Moment der Wahrheit, da alle Beteiligten wußten, daß ihre Reaktion in einer Krise beweisen würde, wie gut oder schlecht ihre Organisation war.
»Wie hoch waren die ursprünglichen Schätzungen?« erkundigte sich Peter.
»Bei den Zahnärzten fünfhundert. Viel fehlt nicht mehr dazu, und wir haben mit dem Servieren begonnen. Aber es scheinen immer noch welche zu kommen.«
»Werden die Neuankömmlinge gezählt?«
»Ich habe einen Mann draußen. Da ist er.« Seinen Kollegen ausweichend, hastete ein rotbefrackter Kellner durch die Schwingtür des Großen Ballsaals.
Peter fragte André Lémieux: »Können wir notfalls Extra-Portionen liefern?«
»Sobald ich die genauen Zahlen ‘abe, Monsieur, werden wir unser möglichstes tun.«
Der maître d’hôtel unterhielt sich mit dem Kellner und kehrte dann zu den beiden anderen zurück. »Sieht aus, als wären es hundertsiebzig Personen mehr. Sie strömen nur so herein! Wir sind schon dabei, mehr Tische aufzustellen.«
Wie stets kam die Krise nahezu unerwartet und wie ein Sturzbach, dessen man kaum Herr werden konnte. Einhundertsiebzig Extra-Mahlzeiten, die sofort benötigt wurden, mußten die Hilfsmittel jeder Hotelküche bis zum äußersten beanspruchen. Peter wandte sich zu André Lémieux um, entdeckte jedoch, daß der junge Franzose nicht mehr da war.
Der Souschef hatte sich, wie aus der Pistole geschossen, in die Arbeit gestürzt. Er stand bereits inmitten seines Personals und erteilte Befehle. Ein Hilfskoch wurde in die Hauptküche geschickt, um dort die sieben gebratenen Truthähne zu holen, die morgen kalt aufgeschnitten werden sollten … Ein gebrüllter Befehl für die Anrichte: Benutzt die Reserven! Beeilt euch! Schneidet alles auf, was in Sichtweite ist! … Mehr Gemüse! Stehlt welches vom zweiten Bankett, wo allem Anschein nach weniger gebraucht wird als vorgesehen! … Ein zweiter Hilfskoch raste in die Hauptküche hinunter, um so viel Gemüse zu ergattern, wie er auftreiben konnte … Und eine Nachricht zu überbringen: Schickt mehr Hilfskräfte herauf! Zwei Vorschneider, noch zwei Köche … Alarmiert den Pastetenbäcker! In ein paar Minuten werden zusätzlich einhundertsiebzig Desserts benötigt … Reißt hier ein Loch auf, um dort eins zu stopfen! Manipuliert, jongliert! Füttert die Zahnärzte! Der junge André Lémieux, geistesgegenwärtig, zuversichtlich, gutmütig, schmeißt den Laden.
Kellner wurden bereits neu eingeteilt; einige wurden unauffällig von dem kleineren Gold-Crown-Cola-Bankett abgezogen, wo jene, die zurückblieben, doppelte Arbeit leisten mußten. Die Gäste würden nichts merken; außer vielleicht, daß ihr nächster Gang von jemand anderem serviert wurde. Andere Kellner im Großen Ballsaal würden drei Tische bedienen – mit siebenundzwanzig Personen – statt der zwei, und ein paar erfahrene alte Experten mit flinken Beinen und Fingern schafften vielleicht sogar vier. Es würde kaum Proteste geben. Die
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