Hotel
einfacher«, bemerkte Mr. Dempster, »wenn ich ein paar erklärende Worte über meinen Arbeitgeber sage.« Er blickte auf seine Uhr. »Mr. Dumaire, der Bankier, und einige Anwälte werden bald hier sein, aber ich glaube, dafür reicht die Zeit noch.«
Er wurde durch die Ankunft von Royall Edwards unterbrochen. Der Rechnungsprüfer war mit einem Stoß von Papieren und einer geschwollenen Aktentasche bewaffnet. Wieder schnurrte das Vorstellungsritual ab.
Beim Händeschütteln sagte Mr. Dempster zum Rechnungsprüfer: »Wir werden gleich ein kurzes Gespräch miteinander haben, und ich möchte, daß Sie an unserer Konferenz um halb zwölf teilnehmen. Übrigens – Sie auch, Miss Francis. Mr. Trent bat darum, und ich weiß, Mr. Wells wird darüber entzückt sein.«
Zum erstenmal hatte Peter McDermott das bestürzende Gefühl, aus dem Geschehen ausgeschlossen zu sein.
»Ich wollte gerade einige Erklärungen über Mr. Wells abgeben.« Mr. Dempster nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und polierte sie.
»Trotz seines beträchtlichen Reichtums ist Mr. Wells ein Mann mit einfachen Gewohnheiten geblieben. Das hat nichts mit Geiz zu tun. Tatsächlich ist er äußerst großzügig. Es ist nur so, daß er für sich selbst bescheidene Dinge vorzieht, was Kleidung, Reisen und Unterbringung betrifft.«
»Da wir gerade davon sprechen«, sagte Peter, »ich hatte die Absicht, Mr. Wells in einer Suite unterzubringen. Durch Mr. O’Keefes Abreise wird heute nachmittag eine von unseren besseren frei.«
»Tun Sie’s nicht. Ich weiß zufällig, daß Mr. Wells sich in seinem jetzigen Zimmer sehr wohl fühlt, was man von dem vorigen allerdings nicht behaupten konnte.«
Peter schauderte es beim Gedanken an die Folterkammer, die Albert Wells vor seinem Umzug in die Nummer 1410 bewohnt hatte.
»Er hat nichts dagegen, wenn andere eine Suite bewohnen – wie ich beispielsweise«, erklärte Mr. Dempster. »Er selbst empfindet einfach kein Verlangen nach solchen Dingen. Langweile ich Sie?«
Seine Zuhörer verneinten einstimmig.
Royall Edwards schien belustigt. »Das klingt wie ein Märchen von den Gebrüdern Grimm.«
»Vielleicht. Aber glauben Sie ja nicht, daß Mr. Wells in einer Märchenwelt lebt. Das ist bei ihm ebensowenig der Fall wie bei mir.«
Ob die anderen es nun merkten oder nicht, hinter den verbindlichen Worten dieses Mannes war stählerne Entschlossenheit zu spüren, dachte Peter McDermott.
Mr. Dempster fuhr fort: »Ich kenne Mr. Wells seit vielen Jahren und habe die größte Hochachtung vor seinem Geschäftsinstinkt und seiner Menschenkenntnis. Er besitzt einen angeborenen Scharfsinn, der auf der Harvard-Handelshochschule nicht gelehrt wird.«
Edwards, der Harvard absolviert hatte, errötete. Peter fragte sich, ob der Seitenhieb ein Zufall war oder ob Albert Wells’ Bevollmächtigter bereits einige Auskünfte über die leitenden Angestellten eingeholt hatte. Traf das letztere zu, und Peter hielt das bei Mr. Dempster für durchaus möglich, dann waren auch Peters Vorleben, seine Entlassung aus dem Waldorf und nachfolgende Verfemung bekannt. War das der Grund, warum man ihn von den Beratungen im engsten Kreis ausschloß?
»Vermutlich wird sich hier eine Menge ändern«, sagte Royall Edwards.
»Das halte ich für wahrscheinlich.« Wieder polierte Mr. Dempster seine Brillengläser; das schien ein Trick von ihm zu sein. »Die erste Veränderung ist meine Ernennung zum Präsidenten der Hotelgesellschaft, ein Amt, das ich in fast allen Gesellschaften von Mr. Wells innehabe. Er selbst legt auf Titel keinen Wert.«
»Dann werden wir Sie also oft sehen«, sagte Christine.
»Nein, Miss Francis. Ich werde nur ein Strohmann sein, mehr nicht. Der Vizepräsident hat die volle Handlungsvollmacht. Das entspricht Mr. Wells’ Geschäftspolitik und auch meiner.«
Die Dinge entwickelten sich wie erwartet, dachte Peter. Albert Wells hatte mit der Leitung des Hotels kaum etwas zu tun; daher bot die Bekanntschaft mit ihm keinen Vorteil. Peters Zukunft würde von dem Vizepräsidenten abhängen, und er fragte sich, ob das jemand war, den er kannte. Wenn ja, konnte das für ihn einen großen Unterschied machen.
Bis zu diesem Moment hatte Peter sich eingeredet, er würde die Dinge nehmen, wie sie kamen, seinen Weggang mit eingeschlossen. Nun entdeckte er, daß er sehr gern im St. Gregory bleiben würde. Christine war natürlich der eine Grund. Der andere war, daß die Arbeit im Hotel, unter Beibehaltung der Unabhängigkeit und unter
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