Hotel
Zweifellos hattest Du Deine unerforschlichen Gründe dafür, selbst wenn so erfahrene Sterbliche wie Dein Knecht die Notwendigkeit nicht einsehen …«
Er betete nicht so lange wie sonst und ertappte Dodo nachher beim Packen seiner Sachen. Als er protestierte, erwiderte sie: »Aber ich mach’s doch gern, Curtie. Und wenn ich’s diesmal nicht täte, wer würde es sonst tun?«
Es widerstrebte ihm, ihr zu erklären, daß keine ihrer Vorgängerinnen jemals seine Koffer ein- oder ausgepackt und daß er einen Hotelangestellten damit betraut hätte. In Zukunft würde es vermutlich wieder so sein.
Zu diesem Zeitpunkt war er darauf verfallen, ein ausgiebiges Frühstück zu bestellen, aber die Idee hatte nicht gezündet, obwohl Dodo wiederum alles tat, um sich und ihn über den Abschied hinwegzutrösten. »Herrje, Curtie, wir brauchen doch nicht traurig zu sein. Es ist ja nicht so, daß wir uns niemals wiedersehen. Wir können uns doch in Los Angeles treffen, so oft wir wollen.«
Aber O’Keefe, der das nicht zum erstenmal mitmachte, wußte, daß es kein Wiedersehen geben würde. Im übrigen war es nicht die Trennung von Dodo, die ihm zu Herzen ging, sondern der Verlust des Hotels.
Die Minuten verstrichen. Dodo mußte aufbrechen. Ihr großes Gepäck war bereits von zwei Boys in die Halle befördert worden. Nun erschien der Chefportier, um das Handgepäck zu holen und Dodo zum Taxi zu geleiten.
Herbie Chandler, über Curtis O’Keefes Bedeutung im Bilde und stets empfänglich für ein hohes Trinkgeld, hatte den Auftrag persönlich übernommen. Er wartete an der Tür.
O’Keefe sah auf die Uhr und ging zur Verbindungstür hinüber. »Du hast sehr wenig Zeit, meine Liebe.«
»Ich muß noch meine Fingernägel fertiglackieren, Curtie.«
Sich im stillen darüber verwundernd, warum alle Frauen die Nagelpflege grundsätzlich bis zum letzten Moment aufschoben, machte Curtis O’Keefe kehrt und überreichte Herbie Chandler einen Fünfdollarschein. »Teilen Sie sich das mit den beiden anderen.«
Chandlers Wieselgesicht hellte sich auf. »Vielen Dank, Sir.« Natürlich würde er teilen, nur würden die beiden andern je fünfzig Cents bekommen, während er vier Dollar für sich behielt.
Dodo trat aus dem angrenzenden Zimmer.
Jetzt wäre ein Tusch am Platz, dachte Curtis O’Keefe, das Schmettern von Trompeten und das aufwühlende Säuseln von Streichern.
Sie hatte ein schlichtes gelbes Kleid an und den breitrandigen Hut auf, den sie auch am Dienstag bei der Ankunft getragen hatte. Das aschblonde Haar hing locker um ihre Schultern. Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an.
»Leb wohl, liebster Curtie.« Sie legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn. Unwillkürlich zog er sie an sich.
Es verlangte ihn plötzlich danach, das Gepäck vom Chefportier wieder heraufholen zu lassen und Dodo zu bitten, bei ihm zu bleiben und ihn nie zu verlassen. Er tat den Gedanken als sentimentalen Unsinn ab. Auf jeden Fall gab es noch Jenny LaMarsh. Morgen um diese Zeit …
»Leb wohl, meine Liebe. Ich werde oft an dich denken und deine Karriere genau verfolgen.«
An der Tür wandte sie sich um und winkte. Er war sich nicht sicher, aber er hatte den Eindruck, daß sie weinte. Herbie Chandler schloß die Tür von außen.
Chandler läutete nach einem Fahrstuhl. Während sie warteten, reparierte Dodo ihr Make-up mit einem Taschentuch.
Der Fahrstuhl schien heute morgen zu trödeln. Herbie Chandler drückte noch einmal mehrere Sekunden lang auf den Knopf. Er war noch immer nervös. Seit seiner gestrigen Unterhaltung mit McDermott saß er wie auf Kohlen. Andauernd fragte er sich, wann der Ruf an ihn ergehen würde – oder vielleicht sogar eine Vorladung von Warren Trent persönlich –, der seiner lukrativen Tätigkeit im St. Gregory ein Ende bereiten würde. Bisher hatte er nichts gehört, und heute morgen war das Gerücht umgegangen, daß das Hotel an irgendeinen alten Knaben verkauft worden war.
Würde sich eine Veränderung zu seinem Vorteil auswirken? Herbie Chandler sagte sich bekümmert, daß das wohl kaum der Fall sein würde, wenigstens dann nicht, wenn McDermott bliebe, und der würde bestimmt bleiben. Die Kündigung des Chefportiers würde sich höchstens um ein paar Tage verzögern, das war alles. McDermott! Der verhaßte Name trieb ihm die Galle hoch. Wenn ich Schneid hätte, dachte Herbie, würde ich dem Bastard ein Messer zwischen die Rippen stoßen.
Plötzlich kam ihm eine Idee. Es gab andere, weniger drastische,
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