Hotel
sehen, was sich machen läßt.«
Kaum hatte die Herzogin den Hörer aufgelegt, als der Apparat erneut läutete. Beide Croydons zuckten zusammen, und der Herzog fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Als seine Frau sich meldete, lauschte er angespannt.
»Ja?«
Eine flache, nasale Stimme fragte: »Herzogin von Croydon?«
»Am Apparat.«
»Ogilvie. Hausdetektiv.« Man hörte ein kräftiges Schnauben, und dann verstummte der Anrufer, als wollte er der Herzogin Zeit geben, die Information zu verdauen.
Die Herzogin wartete. Als nichts weiter erfolgte, fragte sie scharf: »Was wollen Sie?«
»Ein Gespräch unter vier Augen. Mit Ihrem Gatten und Ihnen.« Es war keine Bitte, sondern eine sachliche Feststellung.
»Falls es sich um eine Hotelangelegenheit handelt, befinden Sie sich, fürchte ich, in einem Irrtum. Solche Dinge besprechen wir grundsätzlich nur mit Mr. Trent.«
»Wie Sie wollen. Nur werden Sie’s diesmal bereuen.« Aus der kalten unverschämten Stimme klang unmißverständliche Zuversicht. Die Herzogin zögerte und stellte dabei fest, daß ihre Hände zitterten.
Sie zwang sich zu der Antwort: »Ihr Besuch kommt uns ungelegen.«
»Wann?« Wieder eine lange Pause, die nur von einem gelegentlichen Schnauben unterbrochen wurde.
Was immer dieser Mann auch wußte oder von ihnen wollte, er verstand sich jedenfalls darauf, einen psychologischen Vorteil wahrzunehmen.
»Später vielleicht«, entgegnete sie.
»In einer Stunde bin ich bei Ihnen«, erklärte der Mann noch immer in demselben leidenschaftslosen kühlen Ton.
»Aber dann sind wir –«
Ihr Protest wurde durch ein gedämpftes Klicken abgeschnitten, als der unbekannte Anrufer auflegte.
»Wer war das? Was wollte er?« Der Herzog machte einen Schritt auf sie zu. Sein hageres Gesicht war verkrampft und totenbleich.
Die Herzogin schloß einen Moment lang die Augen. Sie sehnte sich verzweifelt danach, wenigstens einmal von ihrer Führerrolle und der Verantwortung für sie beide erlöst zu werden; jemanden neben sich zu haben, der ihr die Last der Entscheidung abnahm. Aber sie wußte, daß die Hoffnung vergeblich war; solange sie denken konnte, war sie vergeblich gewesen. Wenn man mit einem Charakter geboren wurde, vor dem sich alle Menschen in ihrer Umgebung beugten, gab es kein Entkommen. Sogar in ihrer eigenen Familie, die über ein gerütteltes Maß an Willensstärke verfügte, richteten sich alle instinktiv nach ihr, folgten ihrem Rat, erkannten neidlos ihre Überlegenheit an. Selbst Geoffrey, der so begabt und dabei so halsstarrig war, ließ sich schließlich stets von ihr umstimmen – so wie vorhin. Der Moment der Schwäche entschwand, und sie wandte sich entschlossen der Wirklichkeit zu.
»Es war ein Hoteldetektiv. Er will uns in einer Stunde aufsuchen.«
»Dann weiß er es also! Mein Gott – er weiß alles!«
»Auf jeden Fall ahnt er etwas. Er sagte aber nicht, was.«
Der Herzog richtete sich plötzlich auf, hob den Kopf, straffte die Schultern. Seine Hände hörten auf zu zittern, sein Mund bekam einen festen Zug. Er machte die gleiche Wandlung durch wie in der Nacht zuvor. »Es würde unsere Lage erleichtern – selbst jetzt noch – wenn ich mich stelle – wenn ich zugebe –«
»Nein!« Die Augen seiner Frau funkelten. »So versteh doch endlich! Nichts, aber auch gar nichts, was du unternehmen könntest, würde unsere Lage auch nur im mindesten verbessern!« Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, dann fügte die Herzogin grübelnd hinzu: »Wir werden nichts tun. Wir werden auf diesen Mann warten und sehen, was er weiß und was er vorhat.«
Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wollte der Herzog widersprechen. Dann nickte er unlustig. Er hüllte sich enger in den scharlachroten Morgenmantel, tappte in den angrenzenden Raum hinüber und kam wenige Minuten später mit zwei Gläsern puren Whiskys zurück. Als er seiner Frau das eine hinhielt, sagte sie abwehrend: »Du weißt doch, so früh trinke ich nie –«
»Schon gut. Du kannst’s gebrauchen.« Mit einer Fürsorglichkeit, die sie von ihm nicht gewöhnt war, drückte er ihr das Glas in die Hand.
Überrascht und nachgiebig nahm sie es und trank einen Schluck. Der unverdünnte Alkohol brannte in ihrer Kehle, raubte ihr den Atem und durchdrang sie gleich danach mit einer tröstlichen Wärme.
9
»So schlimm kann’s doch nicht sein!«
An ihrem Schreibtisch im äußeren Büro der Direktorensuite brütete Christine Francis stirnrunzelnd über
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