Hotel
in die Hand gestützt. Sonnenlicht sickerte durch die halb geschlossenen Jalousien herein und setzte ihr rotes Haar in Flammen. Im Moment kräuselte eine nachdenkliche verwirrte Falte ihre Stirn, und Peter ertappte sich bei dem Wunsch, sie sanft mit zwei Fingern wegzustreicheln.
»Ganz begriffen hab’ ich das noch immer nicht«, sagte sie. »Wollen Sie im Ernst behaupten, daß kein Hotel für die Handlungen seiner Gäste gesetzlich verantwortlich ist – nicht mal für das, was ein Gast dem anderen antut?«
»Allerdings, zumindest auf dem Gebiet, über das wir eben gesprochen haben. Die Rechtsprechung ist da ganz eindeutig, und zwar schon seit langer Zeit. Tatsächlich geht ein Großteil unserer Gesetze auf die englischen Wirtshäuser zurück, beginnend mit dem 14. Jahrhundert.«
»Erzählen Sie mir davon.«
»Ich will Ihnen eine Kurzfassung geben. Es fängt damit an, daß die englischen Herbergen nur eine einzige große, von einem offenen Feuer erwärmte und beleuchtete Halle hatten, in der alle zusammen schliefen. In der Nacht war es Sache des Wirts seine Gäste vor Dieben und Mördern zu schützen.«
»Das klingt vernünftig.«
»Es war auch vernünftig. Und man erwartete das gleiche auch dann noch vom Wirt, als kleinere Schlafzimmer aufkamen, weil in ihnen stets mehrere Gäste untergebracht wurden – oder zumindest untergebracht werden konnten.«
»Wenn man’s sich genau überlegt«, sagte Christine versonnen, »dann war das damals keine Zeit für Abgeschiedenheit und Einsamkeit.«
»Die Absonderung kam erst mit den Einzelzimmern, zu denen die Gäste Schlüssel hatten. Und von da an ging auch die Rechtsprechung von anderen Gesichtspunkten aus. Der Wirt war lediglich verpflichtet, seine Gäste vor Dieben und Einbrechern zu schützen. Aber darüber hinaus hatte er keine Verantwortung, und zwar weder für das, was ihnen in ihren Zimmern zustieß, noch für das, was sie da machten.«
»Mit dem Schlüssel änderte sich also alles.«
»Ja, und so wie damals ist’s noch heute. In dem Punkt sind sich die Gesetze gleichgeblieben. Wenn wir einem Gast einen Schlüssel geben, ist das ein Rechtssymbol. Es bedeutet, daß der Wirt über den Raum nicht länger verfügen kann oder nicht noch jemanden dort einquartieren darf. Andererseits haftet das Hotel auch nicht für den Gast, sobald der die Tür seines Zimmers hinter sich geschlossen hat.« Er wies auf den Brief, den Christine beiseite gelegt hatte. »Deshalb müßte unser Freund da schon den Flaschenwerfer ausfindig machen und sich an ihn halten. Wenn er uns belangt, hat er keine Chance.«
»Ich ahnte nicht, daß Sie so ungeheuer viel darüber wissen.«
»Es war nicht meine Absicht, diesen Eindruck zu erwecken. Ich nehme an, daß W.T. über die Rechtslage im Bilde ist, falls er aber eine Zusammenfassung der Präzedenzfälle haben möchte, so habe ich eine, die ich ihm geben kann.«
»Er wird vermutlich dankbar dafür sein. Ich hefte eine diesbezügliche Notiz an den Brief.« Sie sah Peter offen an. »All das macht Ihnen Spaß, nicht wahr? Ein Hotel zu leiten und was sonst damit zusammenhängt.«
»Ja«, antwortete er ehrlich. »Obwohl es mir noch mehr Spaß machen würde, wenn wir hier ein paar Veränderungen durchdrücken könnten. Hätten wir das schon früher getan, dann brauchten wir jetzt vielleicht Curtis O’Keefe nicht. Dabei fällt mir ein … wissen Sie schon, daß er angekommen ist?«
»Sie sind der siebzehnte, der mir das sagt. Ich glaube, das Telefon fing in dem Moment an zu läuten, als er erst mit einem Bein aus dem Wagen gestiegen war.«
»Das ist nicht überraschend. Inzwischen werden sich eine Menge Leute fragen, warum er hier ist. Oder vielmehr, wann man uns offiziell mitteilt, warum er hier ist.«
»Ich habe eben alles für ein privates Dinner heute abend in W.T.s Suite in die Wege geleitet – für Mr. O’Keefe und seine Begleiterin. Haben Sie sie schon gesehen? Sie soll etwas ganz Besonderes sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Mein eigenes Dinner interessiert mich mehr. Ich rechne dabei auf Sie. Deshalb bin ich hier.«
»Falls das eine Einladung für heute abend sein soll, kann ich bloß sagen, ich bin frei und Hunger habe ich auch.«
»Fein!« Er sprang auf und überragte sie wie ein Turm. »Ich hole Sie um sieben in Ihrer Wohnung ab.«
Auf dem Weg nach draußen erspähte er auf einem Tisch dicht neben der Tür ein zusammengefaltetes Exemplar der »Times-Picayune.« Er blieb stehen und erkannte an der fetten Schlagzeile
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