Hotel
befördert?«
»In gewisser Weise. Wichtiger war, man beachtete mich.«
»Da kommen die Austern.« Der Kellner stellte zwei vorgewärmte Teller mit den köstlich duftenden überbackenen Austern, die auf einer Unterlage von Steinsalz ruhten, vor sie hin.
Während Peter den Montrachet probierte und zustimmend nickte, sagte Christine: »Wieso kann man eigentlich in Louisiana das ganze Jahr über Austern essen, egal, ob der Monat ein ›R‹ hat oder nicht?«
»Man kann Austern überall und zu jeder Jahreszeit essen«, antwortete Peter nachdrücklich. »Die Idee von den Monaten mit und ohne ›R‹ ist Schwindel und wurde vor vierhundert Jahren von einem alten englischen Landpfarrer in die Welt gesetzt. Ich glaube, der alte Knabe hieß Butler. Wissenschaftler haben sich darüber lustig gemacht, die amerikanische Regierung hält sie für albern, aber die Leute glauben immer noch daran.«
Christine kostete eine Auster Bienville. »Ich dachte immer, es kommt daher, weil sie im Sommer laichen.«
»Für Austern in New England und New York trifft das in manchen Jahren zu, nicht aber für die Chesapeake Bay, wo die ertragreichsten Austernbänke der Welt sind. Dort und im Süden laichen sie so ziemlich zu jeder Jahreszeit. Folglich gibt’s keinen einzigen einleuchtenden Grund, warum Nordstaatler nicht auch das ganze Jahr über Austern essen sollten, wie die Leute hier in Louisiana.«
Nach kurzem Schweigen sagte Christine: »Vergessen Sie denn nie, was sie mal gelernt haben?«
»Das meiste behalte ich, glaub’ ich. Ich hab’ ein komisches Gedächtnis, an dem die unmöglichsten Dinge hängenbleiben – es ist ein bißchen wie das Fliegenpapier, das man früher verwendete. In gewisser Hinsicht ist mir das zustatten gekommen.« Er spießte eine Auster Rockefeller auf und schnupperte genießerisch den zarten leicht bitteren Duft von Absinth ein.
»Inwiefern kam es Ihnen zustatten?«
»Also, im gleichen Sommer, in dem die Sache mit dem Mann vom ›New Yorker‹ passierte, durfte ich mich im Hotel in allen möglichen Jobs versuchen, und so landete ich auch hinter der Bar. Inzwischen hatte ich Feuer gefangen und mir einige Fachbücher geliehen, unter anderem auch eins über das Mixen von Drinks.« Peter hielt inne, in einem Winkel seines Gedächtnisses nach Ereignissen kramend, die er fast schon vergessen hatte. »Einmal war ich allein hinter der Bar, als ein Gast hereinkam. Ich kannte ihn nicht, aber er sagte: ›Ich hab’ gehört, daß Sie der helle Bursche sind, über den der ‚New Yorker‘ geschrieben hat. Können Sie mir einen Rostigen Nagel mixen?‹«
»Er wollte Sie uzen?«
»Nein. Ich hätte es sicher auch für einen dummen Witz gehalten, wenn ich das Rezept nicht zufällig zwei Stunden früher gelesen hätte. Das meine ich damit, wenn ich sage, ich hätte Glück gehabt. Die Zutaten sind Scotch und Drambuie. Ich machte ihm also den Drink zurecht, und nach dem ersten Schluck sagte er: ›In Ordnung, aber auf die Art werden Sie im Hotelfach nichts lernen. Die Dinge haben sich geändert seit ‚Work of Art‘. Ich antwortete ihm, ich hielte mich nicht für Myron Weagle, hätte aber nichts dagegen, Evelyn Orcham zu sein. Er lachte darüber; vermutlich hatte er auch Arnold Bennett gelesen. Dann gab er mir seine Visitenkarte und sagte, ich sollte ihn am nächsten Tag aufsuchen.«
»Ich nehme an, er besaß mindestens fünfzig Hotels.«
Peter schüttelte den Kopf. »Tatsächlich besaß er gar nichts. Er hieß Herb Fischer und war Handlungsreisender – Konserven und dergleichen. Er war außerdem ein Wichtigtuer und Schwätzer und schrecklich aufdringlich. Aber er kannte das Hotelgeschäft und die meisten Leute, die damit zu tun hatten, weil er da seine Waren absetzte.«
Die Teller mit den Austernschalen wurden weggenommen. Der Kellner servierte ihnen nun, unter den wachsamen Blicken eines Oberkellners in rotem Frack, die dampfende Flunder.
»Das riecht so gut, daß ich fast Angst hab’, davon zu essen«, sagte Christine. »Es kann unmöglich so gut schmecken, wie es riecht.« Sie probierte den saftigen, hervorragend gewürzten Fisch. »Mmmm! Nicht zu glauben, aber es schmeckt sogar noch besser.«
Nach einer Weile sagte sie: »Erzählen Sie mir von Mr. Fischer.«
»Zuerst hielt ich ihn für einen Angeber, wie man ihn in Bars zu Hunderten begegnet. Ein Brief aus Cornell brachte mir eine andere Meinung über ihn bei. Ich sollte mich in Statler Hall – der Hotelfachschule – zur Aufnahmeprüfung melden. Es
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