Hotel
waren, als traute er seinen Sinnen nicht, auf das Gesicht der Herzogin gerichtet. Ein lastendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Dann, während sie ihn angespannt beobachtete, nickte er beinahe unmerklich.
Noch immer blieb es still. Endlich fragte Ogilvie: »Stört Sie die Zigarre, Herzogin?«
Als sie nickte, machte er sie aus.
12
»Es ist komisch.« Christine ließ die riesengroße, in vielen Farben prangende Speisekarte sinken. »Aber ich werde in dieser Woche das Gefühl nicht los, daß irgend etwas Folgenschweres passieren wird.«
Peter McDermott lächelte ihr über den Tisch hinweg zu. Tafelsilber und das gestärkte weiße Leinenzeug schimmerten im Kerzenlicht. »Vielleicht ist es schon passiert.«
»Nein«, sagte Christine. »Wenigstens nicht auf die Art, die Sie meinen. Es ist irgendwie beklemmend. Ich wollte, ich könnte es abschütteln.«
»Gut essen und trinken tut Wunder.«
Seine gute Laune wirkte ansteckend. Sie lachte und klappte die Speisekarte zu. »Schön, dann bestellen Sie für uns beide.«
Sie waren in Brennan’s Restaurant im Französischen Viertel. Vor einer Stunde hatte Peter Christine mit einem Wagen, den er am Schalter von Hertz in der Halle des St. Gregory gemietet hatte, in ihrer Wohnung abgeholt. Sie parkten in Iberville, an der Peripherie des Viertels, und schlenderten die Royal Street entlang, vorbei an den Schaufenstern der Antiquitätenläden, in denen Kunstgegenstände, importierter Kitsch und Waffen der Konföderierten – »jeder Säbel in dieser Kiste zehn Dollar« – bunt durcheinanderlagen. Es war eine warme, schwüle Nacht, die erfüllt war von den für diese Stadt typischen Geräuschen – dem sonoren Brummen der Busse in den engen Straßen, dem Klappern und Rasseln der Droschken und dem wehmütigen Tuten eines ausfahrenden Frachters auf dem Mississippi.
Brennan’s war, wie es sich für das eleganteste Speiserestaurant von New Orkans gehörte, zur Dinnerzeit bis zum letzten Platz besetzt. Während sie auf ihren Tisch warteten, hatten Peter und Christine im stillen, schummrigen Patio einen nach Kräutern duftenden Old Fashioned getrunken.
Peter fühlte sich in Christines Gesellschaft unendlich wohl, Seine Hochstimmung hielt an, als sie zu einem Tisch im Hauptrestaurant geleitet wurden. Nun winkte er einen Kellner heran.
Er bestellte für sich und Christine die Spezialität des Hauses, und zwar eine Zusammenstellung von Austern Rockefeller, Bienville und Roffignac, Flunder Nouvelle Orleans, gefüllt mit Krabbenfleisch und Kräutern, Blumenkohl Polonaise, pommes au four und eine Flasche Montrachet.
»Es ist angenehm, wenn man nicht selbst entscheiden muß«, sagte Christine anerkennend und beschloß, das beklemmende Gefühl, von dem sie gerade gesprochen hatte, einfach nicht mehr zu beachten. Es war wohl ohnehin nur Einbildung und erklärte sich vermutlich aus der Tatsache, daß sie in der vergangenen Nacht wenig Schlaf gehabt hatte.
»Bei einer so ausgezeichneten Küche wie hier spielt es letztlich keine Rolle, wofür man sich entscheidet. Man hat höchstens die Qual der Wahl zwischen lauter exquisiten Gerichten.«
»Man merkt, daß Sie sich in der Branche auskennen«, sagte sie neckend.
»Verzeihung. Ich fürchte, ich rede andauernd davon.«
»Eigentlich nicht. Und wenn Sie’s unbedingt wissen wollen, mir gefällt’s. Ich hab’ mich allerdings manchmal gefragt, wie Sie darauf gekommen sind, ins Hotelfach zu gehen.«
»Ins Hotelfach? Ich war ein Boy mit Ambitionen.«
»War es wirklich so einfach?«
»Vermutlich nicht. Ich hatte auch ziemlich viel Glück. Ich wohnte in Brooklyn und arbeitete in den Schulferien als Boy in Manhattan. Eines Nachts, in meinem zweiten Sommer, brachte ich einen Betrunkenen ins Bett – half ihm die Treppe hinauf, zog ihn aus und deckte ihn zu.«
»Gehörte das zu Ihren Obliegenheiten?«
»Nein. Aber zufällig war es eine ruhige Nacht, und außerdem hatte ich ziemlich viel Übung darin. Ich hatte zu Hause seit Jahren meinem alten Herrn denselben Gefallen erwiesen.« Seine Augen blickten einen Moment lang traurig drein. »Na, später stellte sich dann heraus, daß der Bursche, den ich ins Bett verfrachtet hatte, ein Mitarbeiter vom ›New Yorker‹ war. Ein oder zwei Wochen danach schrieb er über den Vorfall und nannte uns, glaube ich, ›das Hotel, in dem man sich wie bei Muttern fühlt‹. Wir wurden deswegen ganz schön gefoppt, aber für das Hotel war es eine gute Reklame.«
»Und Sie wurden daraufhin
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