House of God
gehe nicht. Ich will verbluten, hier auf eurem Fußboden. Ich will sterben.«
»Oh, das ist was anderes«, sagte ich und rief die Rausschmeißer vom Sicherheitsdienst.
Und dann saßen wir da, trauten uns nicht, ihn zu überwältigen und sahen zu, wie die roten Punkte auf dem Boden zu Klecksen gerannen, zu kleinen Seen. Er verschmierte das Blut mit seinen hübschen weißen Schuhen. Als es zur Pfütze wurde, spritzte er damit nach uns, und blutige Striche deuteten auf uns wie die Strahlen einer Opfersonne der Mayas. Ich hatte vier Konserven gekreuztes Blut angefordert, und Flash wartete in der Blutbank auf meinen Anruf, um das Blut bei Bedarf sofort herunterzuschicken. Während ich mit wachsender Verzweiflung wartete, versuchte ich, meinen quälenden Gedanken über die Brutalität dieses Tages zu entkommen. Es gelang mir nicht. Ich wartete darauf, daß er ohnmächtig würde.
Berry und ich waren in der Hauptstadt unseres Landes, um Jerry und Phil zu besuchen, die mit mir als
Rhodes Scholars
in Oxford gewesen waren. Ich hatte anschließend den Fanatismus des amerikanischen Medizinstudiums gewählt, sie den des Jurastudiums. Im Augenblick arbeiteten beide für den Obersten Gerichtshof, ein
Internship,
das meinem ähnlich war. Es gab viele Parallelen. Die Obersten Richter waren, genau wie die Ärzte des
House of God,
ein gemischter Haufen, einige grenzwertig inkompetent, andere Alkoholiker, ein paar Trottel und wenige schlichte Niemandgesichter wie der Fisch und der Leggo. Jerry und Phil war die Aufgabe zugeteilt worden, das oberste Gesetz des Landes zu schaffen, so wie ich mich mit richtigen Körpern und Toten abgeben mußte. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, ihren speziellen Richter von Zeit zu Zeit scharf zu machen und ihn bei Entscheidungen, die Millionen großer Amerikaner betreffen würden, auf eine bestimmte Position zu »hieven«. Die meiste Zeit verbrachten sie auf dem
de facto
Obersten Hof, dem Basketballplatz im obersten Stockwerk, unmittelbar über den etwas tiefer angesiedelten Räumen des
de jure
Obersten Gerichtshofs. Und ihr größter Spaß war es, dabei einem reaktionären Schönling aus Nixons Hofstaat die Ellenbogen in die Rippen zu stoßen.
Trotz meiner neuen Neigung, alle Menschen als Kranke zu sehen und ihrer neuen Neigung, alle Menschen als Angeklagte zu betrachten, ging es eine Weile gut. Als wir durch die widerhallenden Marmorflure des Gerichtshof gingen, lachten wir über die verschiedensten Geschichten aus den Klatschkolumnen. Am schönsten war das Gerücht, ein Reporter habe mit einem starken Fernglas von einem versteckten Aussichtspunkt auf den Felsen über San Clemente Nixon und Bebe Rebozo beobachtet, die in ihren schwarzen Anzügen am Strand spazieren gingen. Er wollte gesehen haben, wie der Präsident plötzlich stehenblieb, sich umdrehte und Bebe direkt auf den Mund küßte.
Und doch, weder Freundschaft noch ein Wochenende fern vom
House of God
konnten meine Wut eindämmen. Daß ich frei war, mich mehr wie ein Mensch fühlte, machte den Kontrast nur noch schmerzhafter. Ich trug mein Mißtrauen und meine Verachtung mit mir herum. Jerry und Phil wunderten sich über meine Heftigkeit und darüber, wie weit ich mich von der englischen sozialistischen Linken zur Alabama-Rechten à la Gath entfernt hatte. Der Zynismus meiner Freunde war nicht zur Paranoia ausgewachsen. Der Besuch endete verstimmt, und im Flugzeug nach Hause sagte Berry:
»Du mußt wieder ganz neu sozialisiert werden, Roy. Jemand, der so zornig ist, kann einfach nicht mit anderen Menschen auf einem Erdball leben. Deine Freunde machen sich echte Sorgen um dich.«
»Du hast recht«, sagte ich und dachte daran, wie jeder Teil meines Lebens unter meinen Erfahrungen im
House of God
gelitten hatte, wie selbst mein Liebesleben wegen all der scheußlichen Geschlechtskrankheiten erstarrt war und sich verabschiedet hatte.
Es kam noch dicker. Auf der Neujahrsparty, die ich früh verlassen mußte, weil ich ab Mitternacht zum letzten Mal Dienst in der Notaufnahme hatte, einer Party, auf der ich mich ziemlich betrunken hatte, fuhr Berry mich an:
»Ich kenne dich kaum noch wieder, Roy. Du bist nicht mehr wie früher.«
»Du hast recht, was diese Zeit des Jahres angeht«, sagte ich im Gehen. »Es ist krank, es ist verrückt, und es stinkt. Bis dann.«
Ich ging in die bittere Kälte hinaus, durch den gefrorenen Schnee über einen Schneewall, der vom Schmutz der Stadt schwarz geworden war, zu meinem Auto. Wie erschreckend leer war
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