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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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der Raum zwischen dem, was Liebe war und dem, was keine mehr war. Ich setzte mich in den Wagen, angewidert und einsam. Die blauen Bogenlampen unterstrichen das Surreale der Nacht. Berry kam und versuchte, mich zurück zu den Menschen zu ziehen. Sie beugte sich zum Fenster hinein, umarmte mich, küßte mich und wünschte mir ein glückliches Neues Jahr. »Sieh es doch mal so, Neujahr bedeutet, daß du die Hälfte hinter dir hast.«
    Ich fühlte mich betrogen. Man hatte mir ein Leben versprochen und dann den Tod gesattelt. Betrunken betrat ich die Notaufnahme und suchte den, der mich betrogen hatte. Genau um Mitternacht, als das alte Jahr sich umdrehte und seinen weißen Bauch zeigte, als das neue Jahr begann, an seinem ersten schwarzen Morgen zu saugen, feierte ein nackter Besoffener den Jahreswechsel, indem er etwas Scheußliches in seinen Schoß kotzte. Ich saß in der Stationszentrale, um mich herum versuchten die Schwestern vergeblich, so etwas wie eine Party zu feiern. Ich beobachtete, wie Elihu und Flash mit schwingenden Hüften und klackenden Absätzen eine Lagerversion der Hora tanzten und mußte an die
Follies
von Treblinka denken. Und dann an Bilder aus den Lagern, die bei der Befreiung von den Alliierten aufgenommen worden waren. Sie zeigten ausgemergelte Menschen, die durch den Stacheldraht sahen, nur noch Augen. Harte, leere Scheiben. Meine Augen waren auch harte, leere Scheiben geworden. Und doch war etwas hinter diesen Augen, und das war das Schlimmste. Ich mußte mit dem leben, was dahinter war, doch was das war, durfte die Welt nie zu sehen bekommen, weil es mich von ihr trennte, wie es mich gerade von meinen früher besten Freunden und von meiner einen großen Liebe, von Berry, getrennt hatte. Da war Wut und Wut und Wut, die alles verschmierte wie Rohöl die Möwen verschmiert. Sie hatten mich schwer verletzt. Ich hatte keinen Glauben mehr an die anderen in der Welt. Und die ärztliche Versorgung? Eine Farce. Frisieren und abschieben. Drehtür-Versorgung. Ich saß nicht dort, wo der Krankenwagen voller Hoffnung hinfuhr, nein. Das hier hatte keinen Glanz. Mein erster Patient im neuen Jahr war eine Fünfjährige, die in einem Wäschetrockner gefunden worden war, das Gesicht nur noch blutiges Fleisch. Sie war von ihrer schwangeren Mutter mit einer Strumpfhose voller Glasscherben immer und immer wieder geschlagen worden.
    Wie sollte ich überleben?

14
    Meine große Hoffnung war der Dicke, er würde mich retten. Er war wieder da, Stations-
Resident
im
House of God,
mollig und aufgedreht und überschäumend vor frischem Optimismus wie ein in der Wiege des Neuen Jahres schaukelndes Baby. Wie sehr hatte ich ihn vermißt während seines langen Zugs durch die verschiedenen St. Irgendwos und das
VA Hospital.
In Gedanken war er mir ständig gegenwärtig gewesen, und seine Lektionen hatten mir durch so manche Schwierigkeiten geholfen. Monatelang hatte ich jedoch nur gerüchteweise von ihm gehört. Wenn ich ihm Glauben schenken konnte, ging es ihm hervorragend. Doch je besser ich ihn kennenlernte, um so widersprüchlicher kam er mir vor. Er machte sich über ein System lustig, das Jo, den Fisch, Klein-Otto und den Leggo hätschelte und tätschelte, schaffte es aber, in diesem System nicht nur zu überleben, sondern es auch noch zu seinen eigenen Gunsten auszunutzen und sogar zu genießen.
    Die Gerüchte, die während Dickies langer Reise zu uns drangen, drehten sich oft um Dr. Jung’s Analspiegel. Es hieß, zum Beispiel,
Esquire
hätte seine Liste der »Zehn schönsten Arschlöcher der Welt« publiziert. Aber wann auch immer der Dicke über seine Erfindung sprach, war es im Konjunktiv, »würde« und »könnte«, nicht »wird« und »kann«.
    So gesellig der Dicke im
House
war – wenn er es verließ, war er verschwunden. Obwohl ich ihn immer wieder einlud, trafen wir uns nie außerhalb der Klinik. Im
House
hatte er etwas mit Gracy von der Diätberatung, außerhalb wußte niemand etwas von einer Beziehung mit einer Frau. Ehrgeizig wie er war, würde der Dicke wohl kaum zulassen, daß sich ihm eine Frau in den Weg stellte. Sein Lebensziel, ein großes Vermögen zu machen, gestaltete sich schwierig. Wann immer ich ihn danach fragte, antwortete er mit wehmütigem Blick:
    »Ich bin einfach nicht korrupt genug«, und erzählte mir, daß er Gelegenheiten verpaßt hatte, mit denen er allein im letzten Jahr zehn Vermögen hätte machen können. »Wenn ich nur das Herz und die Einstellung dieser Watergate-Jungs

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