Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
Vom Netzwerk:
mit unseren Bleiknüppeln bearbeiten mußten. Wir haben uns damit viele Monate Arbeit mit Cohen wegen der nagenden Schuldfrage erspart. Eine gefährliche Zeit.«
    »Die rohe, rote Zeit, wenn die Worte den Taten weichen«, sagte Quick.
    »Wir sollten alle aufpassen,« sagte der Rotschopf. »Mit Glück sehen wir uns alle wieder um sechzehnhundert am schönen Postmeridian. Auf Wiedersehen.«
    Sie waren gegangen, und Furcht und Trübsinn umfingen meine Gedanken. Die Akten türmten sich bereits. Die meisten Patienten waren ängstliche Männer, die die Fernsehsendung »Wie komme ich zu einem Herzanfall« gesehen hatten, und Frauen mit Sonntagmorgen-Bauchschmerzen. Ich nahm eine Akte und wagte mich in den Tag vor. In meinem Kopf dröhnten die Worte
Mitleid
und
Haß.
Es gab nichts Wichtiges, es gab keinen Humor, es gab nur die glasklare Umsetzung von kohlschwarzem Zorn in das »Körper-Ego«, wie Cohen es nannte. In erster Linie zielte sie in die abdominogenitale Region, denn die Klagen über Schmerzen im Leib hörten nicht auf, bis ich literweise Urinproben angesehen und –zig Unterleibsuntersuchungen gemacht hatte, und zwar sorgfältig, denn das eine oder andere Mal konnte schließlich ein Schnappi dabei sein.
    Mit einer Frau kam dann das Unglück herein. Ich untersuchte sie gründlich, fand nichts und sagte ihr das. Sie akzeptierte es und zog sich wieder an, aber ihr Freund akzeptierte es nicht und sagte:
    »He Sie, warten Sie, Mann. Sie wollen mir erzählen, daß Sie nichts für sie tun? Nichts?«
    »Ich kann nichts finden, was ich behandeln könnte.«
    »Hören Sie zu, Sie feiner Pinkel, meine Frau hat Schmerzen, echte Schmerzen, ich will, daß Sie was dagegen machen.«
    »Ich weiß nicht, woher sie Schmerzen haben könnte, und will ihr nicht irgend etwas geben. Wenn die Beschwerden schlimmer werden, will ich davon wissen und sie wiedersehen. Ich will nicht maskieren, was sich da möglicherweise abspielt.«
    »Verdammt, sehen Sie sie an, sie hat Schmerzen. Sie geben ihr jetzt was dagegen!«
    Ich sagte nein und ging zurück in die Stationszentrale, um meine Notizen zu machen. Der Mann folgte mir, und obwohl es der Frau peinlich war – sie stand schon an der Tür und wollte gehen –, benutzte er die überfüllte Notaufnahme als Forum:
    »Gottverdammter Kerl! Wußte ich doch, daß man uns hier nicht hilft. Ihr wollt bloß, daß sie leidet, das genießt ihr. Ihr Wichser! Ihr gebt doch einen Scheißdreck drauf, was mit uns passiert, Hauptsache, wir ziehen wieder ab.«
    Mein Zorn schwoll an, und ich fühlte diese limbische Hitze über meine Ohren und meinen Hals aufsteigen. Ich wäre am liebsten über den Tresen gesprungen und hätte den Kerl verprügelt oder hätte ihn mich verprügeln lassen. Er konnte nicht wissen, daß ich sein Gefühl, ein Opfer zu sein, teilte, sein Gefühl von Verzweiflung darüber, daß schwarze Frauen von außer Kontrolle geratenen Kräften zerstört wurden, seine Hilflosigkeit gegenüber der Krankheit und dem Leben. Inzwischen hatte ich selbst seine Paranoia. Ich konnte es ihm nicht sagen, und er würde sowieso nicht zuhören. Beide waren wir gelähmt vor Wut, derselben Wut, die Kugeln in die Kennedys und Luther King geschossen hatte. Ich knirschte mit den Zähnen und sagte:
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Das war’s.«
    Die Schwestern riefen den Sicherheitsdienst, der kam und seine nachgemachten West Point Abzeichen zur Schau stellte, bis der Mann, von seiner Frau gezogen, hinausging. Ich setzte mich zitternd hin, völlig fertig. Ich konnte nichts in die Akte schreiben, meine Hand bebte zu sehr. Ich konnte mich nicht einmal rühren.
    »Sie sind weiß wie ein Laken«, sagte Cohen. »Der Junge hat Sie echt umgehauen.«
    »Ich weiß nicht, wie ich das hier noch dreiundzwanzig Stunden aushalten soll.«
    »Das Geheimnis heißt, sich ausklinken. Ziehen Sie das libidinöse Engagement aus dem, was Sie hier tun, zurück. Das ist, als würden Sie einen Astronautenhelm aufsetzen und auf Autopilot schalten. Sie ziehen sich emotional zurück, so daß Sie nicht richtig da sind. Überleben, klar?«
    »Ja. Ich wünschte, ich hätte einen Astronautenhelm.«
    »Keinen richtigen Astronautenhelm. Ausklinken ist ein innerer Astronautenhelm. Fast alle Berufe sind ausgeklinkt, und wissen Sie warum?«
    »Warum?«
    »Weil alle Berufe langweilig sind, außer diesem hier. Versuchen Sie es.«
    Ich stülpte mir meinen imaginären Helm über, schaltete auf Autopilot und klinkte mich aus. Ich watete durch

Weitere Kostenlose Bücher