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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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ich.
    »Ja, und?«
    »Das hier ist
vorher.
Ich möchte, daß du dir das genau einprägst, zum Vergleich mit
nachher.
«

20
    Gegen Ende der ersten beiden Wochen lief ich vier Meilen am Tag. Zu meiner Erleichterung war das, was ich für
Angina pectoris
gehalten hatte, laut Pinkus ein fortgeleiteter Schmerz, der bei Dehnung der interkostalen Bänder entsteht, wenn der Brustkorb sich weitet, was bei Anfängern ganz normal sei. Ich lief die vier Meilen zur Arbeit, glitt den Fahrradweg am Fluß entlang, der nach einem berühmten marathonlaufenden Kardiologen benannt worden war, der in hohem Alter gestorben war. Die Dämmerung brach über der erwachenden Stadt an, und mein PLONKA , PLONKA klang wie der beruhigende Rhythmus meines Lebens.
    Aber noch war ich nicht wie Pinkus. Im Gegensatz zu ihm mußte ich noch mit der Station zurecht kommen. Ein Teil von mir war voller Entsetzen über das menschliche Elend und die Hilflosigkeit, der andere Teil war zufrieden. Ich war König in einem kranken, erotischen Königreich, fähig Maschinen zu bedienen. Jede zweite Nacht im Dienst bedeutete, daß es keine Zeit gab, über die Welt außerhalb des
House
nachzudenken. Die Konflikte auf der Station wurden die wichtigsten Konflikte des Lebens. Die Schwestern? Wie bei Vermeers
Dame mit Gitarre,
wo das leere Schwarz des Hintergrundes das Kerzenlicht auf den zarten Fingern hervorhebt, so brachte die Krankheit den Sex hervor.
    Oft war ich in Variationen desselben erotischen Themas verschlungen: Spät nachts wird das gruselige, künstliche Licht der Station nur von dem grün aufblitzenden Pliep Pliep der Herzmonitoren punktiert. Die Schwester ruft mich aus meinem Bett, damit ich nach einem komatösen Patienten sehe, dessen Körper von einer Maschine betrieben wird, bei der ein Parameter nicht stimmt. Ich folge ihr zu dem Bett und bemerke, daß sie weder BH noch Höschen trägt. Ich setze mein Stethoskop auf den Körper. Ich muß die Brust abhorchen und bitte die Schwester, mir zu helfen. Sie beugt sich vor, beide wuchten wir den Körper in eine sitzende Haltung, die Schläuche baumeln herunter, ich horche die verstopften Lungen ab, die vom Beatmungsgerät aufgebläht werden, meine Finger liegen auf der wächsernen Haut, und ich kämpfe gegen den Gestank der chronischen Krankheit an. Ich rieche ihr Parfüm, Kokosnuß. Unsere Köpfe sind nah beieinander. Ich lasse mein Stethoskop fallen, lege meine freie Hand um ihren Hals, küsse sie. Unsere Zungen gleiten übereinander. Ich lehne meine Schulter gegen den Körper des Patienten und befreie so meine andere Hand. Der Kuß dauert an, ich streichle ihre Brust durch das Baumwollkleid und spüre wie das rauhe Material über ihre Haut kratzt und die Brustwarzen sich aufrichten. Wir trennen uns, der Körper fällt, plumps, zurück aufs Bett. Später, in ihrer Pause, kommt sie zu meinem Bett im Dienstzimmer, hebt ihren grünen OP -Rock, denn zum Ausziehen bleibt keine Zeit. Wir fangen an, unseren Haß, unsere Einsamkeit, unseren Horror vor dem menschlichen Elend und unsere Verzweiflung über das menschliche Ende in dem zärtlichsten, menschlichsten Akt, im Liebesakt, auszuagieren. Ich weiß, daß sie mich haßt, weil ich Arzt bin, weil ich während dieser Schicht dreimal ihren Namen vergessen habe, weil ich Jude bin, der die Verkündigungen ihres Eunuchen-Papstes über »das menschliche Leben« bestenfalls komisch findet, weil ich ihre Station führe, weil sie von Männern wie mir ausgenutzt wird, weil ich immer der Beste in der Klasse war. Wegen all dieses Hasses und wegen der aus Haß geborenen Erregung rammeln wir wild aufeinander los, Haut an Haut, Schwanz in Möse, mit der Verzweiflung zweier Raumfahrer auf einer Reise von Lichtjahren, den Tod am anderen Ende und kein Weg zurück, gefangen in einem Raumschiff aus Chrom und Licht und Computern und Musikberieselung. Sie wird mir nichts von ihrem Haß erzählen, sie wird nicht einmal über ihren Haß gestikulieren, sie wird mich nur ficken wegen dieses Hasses und es damit bewenden lassen. Stöhnend lassen wir die Sprungfedern des Bettes rasseln, abgesichert durch zwei wachsame Mechanismen: ihr IUP und unser beider Fähigkeit, am nächsten Morgen alles vergessen zu haben. Kalifornien, ich komme! Wir kommen. Sie geht wieder an ihre Arbeit, mit einer Röte im Gesicht, die von ihrer Klitoris kommt, nicht vom Herzen.
    Im Einklang mit diesem Frühlingsthema von Sex und Tod, stießen die Tage des Passafestes wie acht Aasgeier auf das
House of God
herunter.

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