House of God
sagte:
»Hobbys, nein. Keine Hobbys.«
»Da sehen Sie es«, sagte Pinkus. »Keine Hobbys. Er hatte kein Hobby, verstehen Sie? Haben Sie ein Hobby, Roy?« Beunruhigt wurde mir klar, daß ich keines hatte. Ich sagte es ihm.
»Sie sollten wenigstens eines haben. Sehen Sie, meine Hobbys sind darauf ausgerichtet, meine Koronararterien zu pflegen: Angeln, um Ruhe zu finden, und Laufen für die Fitneß. Roy, in den neun Jahren auf dieser Station, habe ich noch nie einen Marathonläufer sterben sehen. Weder an einem Herzinfarkt, noch an einem Virus, an gar nichts.«
»Wirklich?«
»Ja. Sehen Sie, wenn Sie nicht fit sind, schlägt Ihr Herz so«, und Pinkus machte mit seiner Faust eine Bewegung, bei der er die Finger langsam zur Handfläche bewegte, als winke er jemandem in Zeitlupe. »Aber wenn Sie laufen, steigt ihr Herzrhythmus dramatisch an und Sie pumpen richtig, ich meine
pumpen!
So!« Pinkus öffnete und schloß seine Faust in so schnellem Rhythmus, daß seine Knöchel weiß wurden und seine Unterarmmuskulatur hervortrat. Es war dramatisch. Ich wollte mich überzeugen lassen. Ich ergriff seine Hand und fragte:
»Was muß ich als erstes tun?«
Pinkus war geschmeichelt und kam gleich auf den Punkt. Statt mit Viren und Atherosklerose beschäftigte ich mich nun mit New Balance 320 s, anaerobisch-glykolytischem Muskelmetabolismus und einem Abonnement von
Runner’s World.
Wir erarbeiteten einen Plan, mit dem ich anfangen, und der mich innerhalb eines Jahres auf Marathondistanz bringen sollte. Pinkus war ein Großer Amerikaner.
Außer gelegentlicher kleiner Freuden bei einem erotischen Gefummel verbrachte ich den Rest des Tages damit, Jo und jeder Angst aus dem Wege zu gehen. Jo wollte mir alles über alles beibringen, damit ich, wenn sie am Abend ging, in meiner ersten Nacht allein in der Lage sein sollte, mit allem fertig zu werden. Besorgt, weil sie mir ihre Station überlassen sollte, lungerte sie endlos herum, bevor sie schließlich sagte: »Ich mache meinen Piepser nie aus«, und ging.
Wie stets während meiner medizinischen Ausbildung, war ich für alles verantwortlich, obwohl ich herzlich wenig wußte. Ich brauchte jemanden, der alle Haken und Ösen der Station kannte. Ich lief zur Nachtschwester und gestand, daß ich vollständig in ihrer Hand war. Geschmeichelt fing sie gleich an, mir Dinge beizubringen, die in meinen vier vergeistigten, mit Enzymkinetiken und Zebrakrankheiten angefüllten BMS -Jahren niemals erwähnt worden waren. Ich lernte zum Beispiel, ein Beatmungsgerät zu bedienen.
Kurz vor der Zehn-Uhr-Mahlzeit wurde ich zu meiner ersten Aufnahme in die Notaufnahme gerufen, einem zweiundvierzig Jahre alten Mann namens Bloom mit seinem ersten Herzinfarkt. Wegen seines Alters kam er auf die Intensivstation. Wenn er zweiundsechzig gewesen wäre, hätte er auf irgendeiner anderen Station sehen können, wie er zurechtkam, und seine Überlebenschancen wären nur halb so groß gewesen. Bloom lag auf seiner Trage in der Notaufnahme, weiß wie ein Laken, und schnaufte vor Angst und vor Brustschmerzen. In seinen Augen stand das verängstigte Verlangen eines sterbenden Mannes, der wünscht, er hätte seine letzten Tage anders zugebracht. Er und seine Frau setzten alle ihre Hoffnung in mich. Voller Unbehagen ertappte ich mich dabei, daß ich an Pinkus dachte und Bloom fragte, ob er ein Hobby habe.
»Nein«, japste er, »ich habe kein Hobby.«
»Nun, nach dieser Geschichte sollten Sie vielleicht darüber nachdenken, ob Sie sich nicht eins zulegen wollen. Ich fange an zu laufen, um fit zu werden. Und man kann immer Angeln gehen, um Ruhe zu finden.«
Die Risikofaktoren sprachen gegen Bloom. Er hatte einen schweren Infarkt und würde wohl vier Tage lang an der Schwelle zum Tode campieren, mit freundlicher Genehmigung der Intensivstation. Ich rollte ihn zur IIS , wo die Schwestern ausschwärmten und ihn mit Ton, Licht und was sie sonst noch zu fassen kriegen konnten, verdrahteten. Ollies Gesicht leuchtete bei Blooms lausigem EKG auf. Was konnte ich für Blooms armes Herz tun? Nicht viel. Aufpassen, für den Fall, daß es aussetzte.
Der Kleine und Chuck, die wußten, welchem Streß ich bei meinem ersten Nachtdienst auf der Intensivstation ausgesetzt sein würde, kamen auf einen Schwatz vorbei. Obwohl es immer schwerer geworden war, miteinander in Kontakt zu bleiben, hatte das, was mit Eddie und Potts geschehen war, uns enger zusammengebracht.
»Eins wollte dich schon immer fragen«, sagte ich zu dem Kleinen,
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